Die Provokation kommt gleich zu Beginn: Die drei Hexen in Shakespeares „Macbeth“ sind vollverschleiert und sagen dem Titelhelden sein Schicksal voraus. Gibt es einen Zusammenhang zwischen islamischer Prophetie und den Weissagungen der Hexen? Erfüllt sich an Macbeth ein religiöses Gesetz? Verbindet sich islamistische Eschatologie mit Macbeths brutalem Machtstreben? Oder geht es nur um Krieg? Die Kopftuch-Entscheidung von Regisseur Stefan Krause bleibt weitgehend folgenlos. Die restliche Truppe lässt sich davon nicht weiter beeindrucken und führt auch keinen Religionskrieg, sondern metzelt sich einfach aus Machtgier dahin.
Es ist eine militarisierte Gesellschaft, in der Macbeth und Banquo wie zwei kampferprobte Soldatenkumpel miteinander umgehen. Frank Baumstark als Macbeth allerdings erfasst schon beim Mord an König Duncan das große Zittern. Ein Nervenbündel, das sich Cathrin Schaible als Lady erotisch-soldatisch zur Brust nimmt. Der Banquo des Jürgen Clemens ruht in sich selbst, strahlt eine selbstverständliche Körperlichkeit aus. Sein Tod allerdings wird etwas lächerlich mit dem Laserpointer vollzogen. Nichtsdestotrotz: Die Schauspieler glänzen, wenn auch gelegentlich die Pathosschicht allzu dick aufgetragen ist. Worauf Stefan Krauses Interpretation zielt, bleibt allerdings rätselhaft. Geht es um persönliche Macht-Gier? Um die Militarisierung der Gesellschaft? Um die Implantierung des Bürgerkriegs in die Gesellschaft?
Das Bühnenbild liefert auch keinen Aufschluss: Drei schmale hölzerne Treppen, die durch einen weißen Torbogen verbunden sind. Alles mit der Anmutung einer Probendekorationen. Es wird ständig rauf- und runtergestiegen, doch der Standort der Figuren sagt kaum etwas über die jeweiligen Machtverhältnisse aus. Krause will es martialisch. Das Trennsignal zwischen den Szenen erinnert an ein Maschinengewehrknattern. Am Schluss wird dann auch noch ohrenbetäubend geballert, bis endlich die Leichen sich stapeln – und Duncans Sohn Malcolm als Sieger die Macht übernimmt.
„Macbeth“ | R: Stefan Krause | 8.-11.2. 20 Uhr | Neues Schauspiel Köln / Orangerie | 0221 952 27 08
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