Alfred Seiland ist ein sehr gebildeter, akribischer und fleißiger Fotograf, der auch große Mühen auf sich nimmt, um einen Ort aufzunehmen. Dabei ist er nicht nur ernsthaft und aufmerksam, sondern verfügt auch über einen feinen Humor. Das ist die Voraussetzung, vor der Alfred Seiland Mitte des vergangenen Jahrzehnts ein fotografisches Projekt gestartet hat, das nun – mit leider zu vielen Bildern, also zu dicht gedrängt – im Römisch-Germanischen Museum vorgestellt wird. Seiland hat Zeugnisse des Imperium Romanum fotografiert, welche die Jahrhunderte überdauert haben. Er hat die Bauten und baulichen Maßnahmen in unterschiedlichen Erhaltungszuständen vorgefunden. Sie sind als Ruinen oder unveränderte karge Überbleibsel in die Landschaft integriert oder mittlerweile, perfekt rekonstruiert, von einer Stadt umfangen. Seiland kartographiert mit seinen Aufnahmen sozusagen das Römische Reich in seiner maximalen Ausdehnung – unter Kaiser Trajan 117 n.Chr. – also bis weit in den Osten, aber auch bis nach Nordafrika. Und im Norden bis nach Holland und England. Mit ihren ausführlichen Texttafeln lässt sich diese Ausstellung auch als kulturgeschichtliche Dokumentation betrachten. Am richtigen Platz ist sie hier im Römisch-Germanischen Museum in Köln allemal.
Seiland ist rund um das Mittelmeer gereist und war ebenso an touristischen wie an nicht-öffentlichen Orten in der Türkei, Rumänien, Israel, Syrien oder Tunesien. Herausgekommen ist große Kunst. Seiland ist ein Bilder-Bauer mit der Großbildkamera, der nach dem richtigen Standpunkt und der besten Tageszeit sucht, aber noch offen ist für das plötzliche Detail, das sich in sein Bildfeld schiebt. Der viel und genau mit Helligkeitsstufen arbeitet und diese verstärkt, so dass im weißen Licht die winzigen, präzise erfassten Personen zu Füßen der monumentalen Architekturen und in den Wüsten wie ausgeschnitten wirken. Durchgehend aber schafft er Übersicht. Er klärt die Architektur und die Eingebundenheit in die lokale Umgebung. Der Horizont ist meist stark nach unten geschoben. Seiland liegt an der Verdeutlichung der Natur und des Klimas, wobei er selbst mitunter einer überwältigenden Aussicht erliegt, etwa wenn er die Festung im Birecik-Stausee aus erhöhtem Abstand wie eine Insel im Nebel fotografiert oder die Marmorfelsen von Carrara mitsamt einer Bruchbude davor aufnimmt. Er fotografiert die gleichen Motive wie die Touristen, jedoch ganz anders und denkt zugleich über deren Intentionen nach. So tauchen fotografierende Touristen auf einzelnen Bildern auf und er hat sogar Imitationen der Antike fotografiert, wie das „Caesars Palace“ in Las Vegas. Doch auch diesen Ort hat Alfred Seiland mit der Akkuratesse aufgenommen, den alle seine Bilder kennzeichnen.
Dann wieder wirken seine Fotografien wie Malerei, etwa das römische Schwimmbecken in Gafsa/Tunesien, bei dem er jeden Stein im gleißenden Licht modelliert hat. Jedes Bild erzählt seine eigene Geschichte, hinterfragt Vergangenheit und Gegenwart, den einstigen Gebrauch und Status der Gebäude und die baulichen Maßnahmen in der Natur oder an Felsgestein – und wie damit heute umgegangen wird. Alfred Seiland wurde 1952 in St. Michael in Österreich geboren, seit 1997 unterrichtet er als Professor für Fotografie an der Kunstakademie in Stuttgart. Es ist kein Wunder, dass wir noch nichts im Original gesehen haben: Er arbeitet beharrlich und über Jahre an seinen Projekten, ehe er diese für Ausstellungen freigibt. Das bedeutet aber auch, dass es wahrscheinlich lange nichts mehr von ihm zu sehen gibt. Ein weiterer Grund, um die Ausstellung im Römisch-Germanischen Museum zu besuchen.
„Alfred Seiland – Imperium Romanum“ | bis 30. März | im Römisch-Germanischen Museum | www.museenkoeln.de
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