Vor einem halben Jahrhundert war die Welt noch in Ordnung. Der deutsche Wald war noch der deutsche Wald, der Grüngürtel einfach grün und ein Begriff wie Klimawandel völlig unbekannt. Trotzdem war Wetter ein Thema, nur die Deutsche Bundesbahn wollte nicht darüber sprechen. „Alle reden vom Wetter. Wir nicht“ warb sie auf Plakaten und in Fernsehspots für Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Mobilität ohne Grenzen. Das Land mochte in Eis und Schnee versinken, die Bahn fuhr.Heute ist Wetter noch immer ein Thema, und die Bahn will noch immer nicht darüber reden. „Zu sensibel“, befand Kommunikationschef Reinhard Boeckh diesmal auf Anfrage. Kein Wunder, inzwischen bringen vereiste Oberleitungen im Winter oder fallende Blätter im Herbst die Bahn aus dem Takt. Im Sommer kommt es häufiger zu Hitzeschocks, wenn Klimaanlagen aus- und in der Folge Fahrgäste umfallen. Im Winter wie im Sommer haben Extremtemperaturen nach oben wie nach unten zugenommen. Mit dem Durcheinander von Heiß und Kalt ist auch die Zahl der Blitze gestiegen. Besonders im Juli kommt es vermehrt zu Einschlägen. Der Blitz, der im letzten Monat in den Dom fuhr und für einen Wassereinbruch in den Innenraum sorgte, bestätigt die Statistik fulminant. Immerhin hatten wir Glück im Unglück. Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner konnte schnell Entwarnung geben: „Es gab nur Schmutzschaden.“
Kölner Wetter
Der Dom-Blitz gehört zu den weniger folgenreichen Ereignissen, die das Kölner Klima prägen – ganz wie der Jahrhundertsturm „Kyrill“ im Jahr 2007. Der fegte zwar auch über den Roncalliplatz, beschädigte aber nur die Front des Römisch-Germanischen Museums und dann das Dionysos-Mosaik. Für die seitdem sprichwörtlich gewordenen „Schneisen der Verwüstung“ sorgte er erst im Bergischen, in der Eifel und im Sauerland. Überhaupt sucht der Kölner stets, dem Wetter zu trotzen. Als 1990 das Sturmtief „Vivian“ Europa heimsuchte und andernorts der Rosenmontagszug ausfiel, machte man sich trotzdem auf den Weg. Die Weicheier in Düsseldorf verschoben den Zug in den Sommer. In Köln war offiziell erst zum Golfkrieg Schluss mit lustig, doch da retteten alternative Karnevalisten den Straßenkarneval und marschierten autonom. Gegen die folgenden Hochwasser waren allerdings auch sie machtlos. 1993 und 1995 versank die ganze Altstadt in den Fluten. Die Anwohner litten. Extremer als die Zudringlichkeit von Vater Rhein war nur die Schaulust der Katastrophentouristen. Gute hundert Jahre zurück sorgte 1830 extremes Tauwetter in den Alpen für eine wirkliche Flutwelle bis nach Holland.
Im Winter 1962/63 war es dagegen so kalt, dass der Rhein teilweise zufror. Das hatte es zuletzt 1947 gegeben. Komplett geschlossen war die Eisdecke im vergangenen Jahrhundert nur 1929. In früheren Zeiten war das nicht selten, aber das im Zuge der Industrialisierung erwärmte Rheinwasser verhindert inzwischen die Eisbildung nahezu automatisch. Eher selten geworden ist auch, dass der Rhein trocken fällt. Das letzte Mal war das im Dezember 1955 der Fall. Der damalige Pegelstand: 83 cm. Rheinauf, rheinab lagen die Schiffe auf Grund. Normalerweise liegt der Wasserstand bei 2,20 m aufwärts, bei Hochwasser schon mal über 10 m.
Wenn man noch weiter in den Chroniken der Wettergeschichte blättert, stößt man irgendwann auf die Kleine Eiszeit. Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts brachen die Temperaturen ein, es kam zu Dürreperioden und extremer Kälte. 1540 etwa fiel im Rheinland Monate lang kein Regen und deshalb die Ernte aus. Der Rhein fror mehrfach bis auf den Grund – ebenso wie der Bodensee. Historiker berichten, dass in dieser Zeit der Beruf des Heizers enorm an Ansehen gewann. Eine andere Erfindung der Zeit, die uns bis heute begleitet, ist die Unterwäsche. Natürlich suchte man damals auch nach Gründen für den Klimawandel und erklärte ihn sich als göttliche Strafaktion für gewisse Machenschaften von … Frauen. Um das schlechte Wetter zu bekämpfen, begannen deshalb die Kirchenmänner, die sogenannten Hexen zu verbrennen. Dass der kirchliche Massenmord für den späteren Temperaturanstieg gesorgt hat, ist allerdings mehr als unwahrscheinlich. Wir sind da mit Nachweisen inzwischen weiter.
Rekordversuche
Heute gehört das Dreieck zwischen Bonn, Aachen und Düsseldorf zu den wärmsten Regionen Deutschlands. Ab und an ist es hier heißer als in Rom oder Athen. Mit Temperaturen jenseits von 35 Grad konkurriert man auch mit Andalusien. Trotzdem ist Köln hier noch nicht ganz Spitze. 2009 lag Rahden-Varl mit 37,8 Grad ganz vorne. Immerhin war es in Köln auch schon mal mit 38,8 Grad deutlich wärmer. Aber auch da wurde man von Gärmersdorf (Oberpfalz) mit 42,2 Grad getoppt. Auch bei den Sonnenstunden kommt Köln gegen Kap Akona auf Rügen nicht an. Mal sehen, ob uns der Klimawandel in puncto Rekordwetter nicht voranbringt.
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