Für die Mehrheit der Kinozuschauer in aller Welt bieten Filme wohl in erster Linie eine Ausflucht aus ihrer Alltagsrealität, eine notwendige Ablenkung vom täglichen Einerlei. Aber Kino hat seit jeher auch politische Statements transportiert, konnte und wollte aufrütteln und die Gesellschaft auf Missstände aufmerksam machen. Im März 2010 wurde mal wieder deutlich, dass die Meinungsfreiheit nicht in allen Ländern respektiert wird und dass man auch als politisch engagierter Filmemacher ins Visier der Machthabenden geraten kann. Der iranische Regisseur Jafar Panahi („Offside“) wurde am 1. März zusammen mit weiteren Familienangehörigen in seinem Haus in Teheran verhaftet. Panahi hatte mit seinen unabhängig hergestellten Arbeiten seit 1995 in Cannes, Locarno, Venedig, Valladolid und Berlin einige der wichtigsten internationalen Auszeichnungen gewonnen. In seiner iranischen Heimat indes sind seine Filme vom dortigen Regime teilweise verboten. Im Februar sollte er auf der Berlinale an einer Diskussion über Gegenwart und Zukunft des iranischen Kinos teilnehmen – die Ausreise wurde ihm allerdings untersagt. Panahis Verhaftung hat nun in der Filmszene hohe Wellen geschlagen. Institutionen wie die Berlinale oder die Deutsche Filmakademie sprachen sich öffentlich gegen diese als politische Einschüchterungsmaßnahme zu verstehende Aktion der iranischen Staatsanwaltschaft aus und forderten Panahis umgehende Freilassung. Bislang jedoch ohne Erfolg. In diesem Monat startet mit „Zeit des Zorns“ hierzulande nun eine iranischdeutsche Koproduktion des Filmemachers und Schauspielers Rafi Pitts. Auch er übt in seinem Film Kritik am iranischen Machtapparat und dessen Mechanismen der Repression. Verpackt hat er seine Anklage in ein stark stilisiertes Drama, das damit auch zum Symbol der tiefsitzenden Sprachlosigkeit und stummen Verzweiflung wird. Aber nicht nur in den kleinen Arthouse-Produktionen nicht-amerikanischer Herkunft geht es derzeit höchst politisch zu. Auch Hollywood hat nach den wegweisenden 1970er Jahren nun sein politisches Gewissen wiederentdeckt. Den Beweis dafür lieferte gerade die Verleihung der 82. Academy Awards, der Oscars. Nicht nur, dass mit Mo’Nique erst die fünfte afroamerikanische Schauspielerin mit der Trophäe geehrt wurde, auch die Auszeichnung von Christoph Waltz in einer Rolle, in der er überwiegend nicht Englisch spricht, ist ungewöhnlich. Am einschneidendsten indes ist der haushohe Sieg des Irakkriegdramas „Tödliches Kommando“ gegen den großen Favoriten „Avatar“. Hier hat man nicht nur ein politisches Statement abgegeben, indem man einen kritischen Independent-Streifen über einen Multimillionen- Dollar-Blockbuster triumphieren ließ, sondern mit Kathryn Bigelow auch erstmals in der Geschichte der Oscars eine Regisseurin mit der Goldstatue prämiert. Angesichts all dieser Entwicklungen scheint die Zeit gekommen, das Kino auch wieder als Ort der Umwälzungen zu begreifen.
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