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Glaubt an das Kino: Hartmut Ernst

Von Göttern und Kinos

03. Dezember 2010

Die Kirche auf der Leinwand - Vorspann 12/10

Ja, es gibt sie noch: eherne Christen. Während sich die Medien heute eifrig auf die zahlreichen Sünder vorm Kreuze stürzen, erzählt das Kino auch mal von den weißen Schafen unter all den schwarzen. So wie jetzt zur Weihnachtszeit mit dem Drama „Von Menschen und Göttern“, eine auf wahren Ereignissen basierende Geschichte über neun Mönche in einem Kloster in Algerien, die sich entscheiden müssen, die eigene Haut zu retten oder den selbstlosen, christlichen Gedanken vorzuleben. Eine Geschichte, die auch den Zuschauer darüber reflektieren lässt, wie er anstelle der Mönche gehandelt hätte. Momente, in denen ein Film zur sanften Andacht wird. Kino und Kirche weisen ja einige Ähnlichkeiten auf: Im dunklen, geschlossenen Raum, dem Alltag enthoben, sind Menschen in Sitzreihen bisweilen andächtig mit dem Leben und dem eigenen Handeln konfrontiert. Ein Ort der Ruhe und Reflexion. Natürlich erfordert der Kinobesuch kein Glaubensbekenntnis – auch wenn die Bereicherung größer ist, je mehr man das glaubt, was man da auf der Leinwand so sieht. Kino aber verschont uns meist vor missionarischem Eifer und einem allgegenwärtigen Damoklesschwert. Und im Kino wird insgesamt sicherlich auch mehr gelacht, nicht zuletzt über die Kirche.

Beide Institutionen aber vereint, dass sie Geschichten zum Staunen erzählen. Kein Wunder also, dass das narrative Kino schon früh auf die Bibel zurückgriff. Geteilte Meere, sprechende Büsche, göttlicher Donner: Endlich konnten die Frommen das sehen, woran sie glaubten. Und dazu adäquat überirdisch dimensioniert. Der sakrale Leinwand-Hokuspokus erfuhr seinen Höhepunkt in den Fünfziger/Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als die biblisch verbürgten Wunder- und Leidensgeschichten in Cinemascope monumental und tricktechnisch glaubwürdig aufbereitet oder surreal-poppig inszeniert wurden. Doch schon bald wurde es wieder ruhig im Kino um das Buch der Bücher, um den König der Könige. Spätestens 1979, als Monty Pythons „Leben des Brian“ darlegte, dass man die Akte Jesus auch bloß als eine muntere Anhäufung von Missverständnissen verstehen könnte, machten sich Bibel-Verfilmungen rar. Und irgendwann hieß die größte Geschichte aller Zeiten nicht mehr „Die Bibel“, sondern „Titanic“. 2004 schließlich trat dann noch Mel Gibson als eifernder Prediger an, um mit seiner „Passion Christi“ detailreich und blutig davon zu erzählen, wie der Sohn Gottes dereinst für unser aller Sünden leiden musste. Mit dem Zaunpfahl geschultert wollte Gibson sein Publikum mit Schuldgefühlen aus dem Saal entlassen. Der Film als mahnende Messe, der Kinobesuch als Bürde – das konnte und durfte nicht funktionieren. „Von Menschen und Göttern“ lässt die Kirche im Dorf, die Mönche in der Kirche und erzählt schlicht davon, wie man Nächstenliebe nicht nur predigt, sondern sie auch lebt. Vielleicht erhebt das den Kinobesuch für so manchen Gläubigen zum Gottesdienst.





Hartmut Ernst

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