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Schützen Trigger-Warnungen oder fördern sie Ängste?
Foto: Christian / Adobe Stock

Ungeschönte Wahrheiten

30. Januar 2024

Teil 1: Leitartikel – Rücksicht zu nehmen darf nicht bedeuten, dem Publikum Urteilskraft abzusprechen

Eine Trigger-Warnung vorweg, nur für den Fall, dass das eine oder andere Wort, der eine oder andere Satz, zum traumatischen Erlebnis für den einen oder die andere Leser:in wird. Denn ich möchte niemanden verletzen, beleidigen oder diskriminieren. Das liegt mir fern! Auch, wenn ich mich zum Beispiel mit dem Gendern schwertue. Vor allem beim Schreiben, weil dafür immer Anschläge (auf die Tastatur) draufgehen, die ich gerne für Inhalt benutzen würde. Ich sehe ein, dass Gesellschaft sich ändert und Gendern zum jetzigen Zeitpunkt wichtig ist, um alle zu inkludieren. Ich muss meine Worte also gut wählen. 

Haben Sie zufällig den Januar-Vorspann in der choices gelesen? Der Text ist mit meinem Foto und Namen versehen, aber nur teilweise von mir. Mein ursprünglicher Titel „Kleine Fluchten“ sowie der erste Absatz, in dem ich zu Kinobesuchen als kleine Auszeiten einlud, wurden umgeschrieben. „Mit dem Text empfiehlst du dem Leser, sich vor den weltweiten Problemen ins Kino zu flüchten“, urteilte der zuständige Redakteur. Auch die Stelle mit französischen Filmen las sich ursprünglich anders. Mit Anspielungen auf cuisine und amour würde ich Klischees über Frankreich bedienen. 

Weichgespült

Hier sind wir bei einem Problem, das viele Menschen heute haben: Was darf man sagen? Wo beginnt das Unsagbare? Besonders in den Medien ist es wichtig, gut überlegt zu formulieren. Doch muss wirklich alles glattgebügelt, weichgespült, konfrontationsvermeidend formuliert werden? Können heutige Leser:innen Witz, Ironie, Sarkasmus oder eine pointierte Formulierung nicht mehr für das erkennen, was sie sein soll? Traumatisiere ich eine Französin, wenn ich von la belle cuisine Frankreichs schreibe? Weil ihre Heimat so viel mehr zu bieten hat als die Küche?

2010 löste Thilo Sarazzin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ eine Debatte über das Sagbare aus. Das wird man wohl noch sagen dürfen, hieß es plötzlich. Doch er hat damals Dinge über Muslime gesagt, die unwahr, also Lügen waren. Etwas noch sagen zu dürfen oder Lügen zu verbreiten und Menschen zu diffamieren sind allerdings zwei sehr unterschiedliche Dinge. Was darf man also noch sagen? Muss es bei problematischen Themen Trigger-Warnungen geben? Heute könnte wahrscheinlich kein Sender mehr Alex Hayleys „Roots“ ausstrahlen in dem die Hauptfigur Kunta Kinte ständig mit dem N-Wort bezeichnet wird. Auch Serien wie „Two and a Half Men“ oder „How I met your Mother“ sind problematisch, denn wenn auch lustig, waren sie sexistisch. Muss ein „Achtung, Sexismus“ vor jeder Folge eingeblendet werden? Oder können Zuschauende selbst entscheiden, ob sie sich so etwas anschauen? Von „James Bond“ mal ganz zu schweigen.

Erhöhtes Risiko

Ich finde, Sprache soll den Respekt vor dem Gegenüber wahren, ob man mit oder über eine Person spricht, im persönlichen Umgang wie auch in den Medien. In Berichten müssen nicht unbedingt die blutigsten Kriegsbilder gezeigt, arme Menschen nicht würdelos dargestellt werden. Gleichzeitig sind weder Krieg noch Armut etwas Schönes. Das sind Tatsachen, denen wir ungeschönt ins Gesicht schauen müssen, um dadurch zum Handeln bewegt zu werden. Wie zum Beispiel sich für Frieden einzusetzen, gegen Armut oder für Artenerhalt – ob ehrenamtlich oder im Beruf.

Wie die Fachzeitschrift The Psychologist in einer aktuellen Ausgabe über eine Studie berichtet, werden Traumata durch Trigger-Warnungen nicht verhindert. Im Gegenteil, das Vorhandensein von Trigger-Warnungen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen sich mit belastenden Inhalten beschäftigen. 


GANZ SCHÖN EMPFINDLICH - Aktiv im Thema

deutsche-traumastiftung.de | Die Deutsche Traumastiftung arbeitetals Bindeglied zwischen Einrichtungen der Traumaversorgung und der Politik.
drk.de/hilfe-in-deutschland/bevoelkerungsschutz/psychosoziale-notfallversorgung | Der psychologische Notdienst leistet bei plötzliche Krisen Hilfe.
bpb.de/themen/medien-journalismus/medienpolitik/172085/katastrophen-und-ihre-bilder | Der Beitrag diskutiert Probleme der Berichterstattung über Katastrophen.

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Tina Adomako

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