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Das Jüdische Museum soll auf dem Rathausvorplatz gebaut werden
Foto: Nadina Schwarzbeck

Unendliche Geschichte?

19. April 2014

Zur Kontroverse um das Projekt Archäologische Zone / Jüdisches Museum

Das Bauprojekt Archäologische Zone / Jüdisches Museum sorgt in Köln schon lange für kontroverse Meinungen. Während zurzeit ein Bürgerbegehren vorbereitet wird, das einen günstigeren Bau fordert, hat die NRW-Landesregierung ihren Zuschuss für das Bauvorhaben auf 32,7 Millionen Euro erhöht.

„Europaweit ist das ein singuläres Projekt. Es handelt sich um die älteste Synagoge nördlich der Alpen, und in Europa gibt es nicht mehr so viele gut erhaltene Funde, wie diesen“, erklärt Michael Lohhaus aus dem Planungsreferat Kulturbauten der Stadt Köln. Die Stadt will den Bau des Jüdischen Museums auf dem Rathausvorplatz in Verbindung mit der Archäologischen Zone daher mit 30 Millionen Euro unterstützen. Die gesamten Baukosten werden auf rund 60 Millionen Euro geschätzt. Die laufenden Betriebskosten des Museums, die jährlich bei 4-6 Millionen Euro liegen werden, übernimmt der Landesverband Rheinland (LVR). „Wir haben das beste Know-How in NRW, wir haben elf eigene Museen und haben qualifizierte Fachleute für jüdische Geschichte und Archäologie“, so Birgit Ströter vom LVR.

Die Realisierung des kulturgeschichtlichen Vorhabens wurde vom Kölner Rat bereits seit dem Jahr 2000 vorbereitet. Am 18. Mai 2006 beschloss der Rat, mit den Stimmen von SPD, Grüne, FDP und LINKE, den Bau, im Juli 2011 stimmte er einem Baubeschluss zu. Zuspruch bekommt der Baubeschluss von der Initiative für das Haus und Museum der jüdischen Kultur in Köln. „Das Haus und Museum der Jüdischen Kultur wäre ein klares Bekenntnis zur gemeinsamen Geschichte – ein politisches Signal, das nicht verwässert werden darf. Es kann ein Ort der Begegnung und des aktiven kulturellen Austauschs werden", schrieben Mitglieder der Initiative letztes Jahr in einem offenen Brief.

Gegen das Projekt sind hingegen die CDU, Deine Freunde und die Freien Wähler. Sie beantragten letzten Sommer, Planung und bauliche Vorbereitungen des Jüdischen Museums fürs Erste zu stoppen. Unter anderem kritisierten die Parteien den architektonischen Entwurf des Gebäudes. Das Moratorium lehnte der Rat mit Stimmen von SPD, Grünen und FDP ab. Ein Zusammenschluss aus zahlreichen namhaften Kölner Bürgern, wie dem Architekten Peter Busmann, fordert die Zusammenführung der Bauvorhaben Archäologische Zone / Jüdisches Museum und Sanierung und Erweiterungsbau des Stadtmuseums in einem einzigen Gebäude auf dem Rathausplatz mit integrierter jüdischer Abteilung.

Für ein ganz neues Konzept setzt sich auch das Netzwerk Bürgerbegehren Rathausplatz ein. „Die Zeitdauer der Ausgrabungen ist zu lang, man sieht nicht, dass es vorwärts geht. Und wir sind von der Höhe des Budgets erschrocken, aber auch davon, dass es keine klare Aufteilung zwischen den Ausgrabungen und dem Bau des Museums gibt“, so Walter Wortmann, der sich in der Initiative engagiert. Sie hat in den letzten Monaten rund 29.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt. Das Bürgerbegehren soll nicht den Bau stoppen, es fordert lediglich, dass kostengünstiger gebaut wird. Die Initiative schlägt einen alternativen Bau vor, der rund 25 Million Euro kosten soll.

Mit dem Bürgerbegehren wollen die Kölner aktiv in die Stadtpolitik eingreifen. Beispiele wie Stuttgart 21 oder der Bau des Flughafens Berlin Brandenburg hinterließen ihre Spuren. In der ersten Maiwoche wollen sie dem Rathaus die Unterschriften übergeben. Dann muss der Stadtrat über den Aufruf entscheiden. In Köln hatte erst ein einziges Bürgerbegehren Erfolg: die Forderung, das Schauspielhaus am Offenbachplatz zu erhalten. Zuletzt scheiterte ein Bürgerentscheid gegen den Ausbau des Godorfer Hafens, da sich nicht genügend Einwohner beteiligt hatten. Wenn das Bürgerbegehren zu dem Bauprojekt erfolgreich ist, könnte es den Bürgern zeigen, dass Engagement sich lohnt.

Auf der anderen Seite sind die Archäologische Zone und das Jüdische Museum ein immenser kultureller Gewinn für die Stadt. Keine andere deutsche Stadt ist seit so langer Zeit mit jüdischer Geschichte verbunden wie Köln. Es wird vermutet, dass sich bereits um Christi Geburt Juden hier als römische Legionäre, Handwerker und Kaufleute niederließen. Und Colonia Claudia Ara Agrippinensium war als Handelsmetropole und Hauptstadt der römischen Provinz Niedergermanien eine Weltstadt. Durch die Archäologische Zone und das Museum würde dieser Teil der Kölner Geschichte wieder lebendiger werden. Und die Anlage hat das Potential, sich zu einem Touristenmagneten zu entwickeln. Jetzt schon kommen regelmäßig Besuchergruppen, um sich die Baustelle und die Ausgrabungen anzuschauen. Durch die Touristen könnte ein Teil der Baukosten wieder ausgeglichen werden. Das erhofft sich auch die Stadt.

Die Debatte über das Bauprojekt ist vielfältig und zeigt selbstbewusste Kölner Bürger, die ein gesundes Misstrauen politischen Entscheidungen gegenüber beweisen. Aber der Schuss könnte auch nach hinten losgehen, wenn durch das Bürgerbegehren das kulturhistorische Potential der Stadt nicht zur vollen Entfaltung kommen kann. Unterstützung vs. Gegenwind – was sich am Ende durchsetzt, werden die kommenden Wochen zeigen.

Nadina Schwarzbeck

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