In jeder Stadt gibt es Geschichten, die das Image der Viertel prägen. Die rechtsrheinischen Veedel werden dabei oft in einen Topf geworfen, denn die Schäl Sick gilt als Stiefkind Kölns: langweilig, fernab vom Schuss und sowieso nur bedingt kölsch. Doch diese Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt, denn rechts vom Rhein, speziell in Kalk, regt sich was. Der alte Arbeiterstadtteil, der noch immer mit dem Strukturwandel zu kämpfen hat, erzählt mindestens zwei Geschichten, die um Akzeptanz wetteifern. Einmal ist Kalk die große Unbekannte, als sozialer Brennpunkt verschrien, der nicht zum lebenswerten Verweilen einlädt. Zum anderen flüstert sich die Kölner Subkultur schon seit einigen Jahren zu: „Kalk ist im Kommen und wird sicher das neue Ding!“
Kalk ist für kreative Ideen offen, weil man es nicht mit Subkultur in Verbindung bringt
Für letztere Geschichte steht seit 2010 auch der Club GENAU e.V. in der Vietorstraße. In einem unscheinbaren Hinterhof befindet sich das Vereinsheim, das Ausstellungsfläche, Tanzhaus, Fahrradwerkstatt, Proberaum, Tischtennisarena, Konzertlocation und Treffpunkt zugleich ist. Hier organisieren junge KölnerInnen in Eigeninitiative und mit viel Engagement kulturelle Veranstaltungen, ohne dabei auf öffentliche Gelder zurückzugreifen. „Wir wollen Künstlern und Musikern einen Raum bieten, der ohne kommerzielle Zwänge für Interessierte offen ist“, sagt der Vereinsvorsitzende Volker Kraus. Mittlerweile zählen über 60 Mitglieder zum GENAU, der auch ein Büro im Secret Store in der Trimbornstraße hat. „Wichtig ist vor allem, dass wir nur die Veranstaltungen machen, hinter denen wir alle stehen. Das merken die Menschen, die uns besuchen, und bisher war das Feedback ziemlich positiv.“ In Kalk traf die Initiative des GENAU auf einen Stadtteil, der offen für kreative Ideen ist, vielleicht gerade weil er bisher nicht mit Subkultur, junger Kunst und Live-Musik in Verbindung gebracht wurde.
Im Winter legt das GENAU regelmäßig eine Pause ein, die unbeheizte Halle eignet sich dann nur bedingt für Veranstaltungen. Aber es gibt in Kalk zahlreiche Alternativen für die dunkle Jahreszeit. Ebenfalls in der Trimbornstraße befindet sich die Vorstadtprinzessin, wo man Tatort gucken und Fotoausstellungen besichtigen kann. Das Trash Chic in der Wiersbergstraße glänzt in direkter Nachbarschaft zum AZ Köln mit veganem Essen. Das jüngste Mitglied in der Kalker Kulturfamilie ist die Baustelle Kalk in der Kalk-Mülheimer Straße. Auch dort gibt es Konzerte und Kultur aller Art zu entdecken. Speziell in den vergangenen zwei Jahren scheint sich die Geschichte vom Kalker Aufstieg durchzusetzen. Mehr und mehr Kölner entdecken, dass es außer den Arcaden noch eine Menge Leben im Rechtsrheinischen gibt. Vergleichsweise günstige Mieten und eine sehr gute Anbindung zur Stadt- und S-Bahn tun ihr Übriges. Welche Geschichte über Kalk letztlich die Oberhand gewinnt, ist noch ungewiss. Spannend wird sie allemal.
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