Der Film „Schamanen im Blinden Land“ ist beeindruckend. Gedreht während dreier, ausführlich vor- und nachbereiteter Aufenthalte im Himalaya, hat er schon bei seiner Premiere 1980 für Aufsehen gesorgt. Bei einem völkerkundlichen Film über die Schamanen im Nordwesten Nepals rechnete niemand mit cineastischer Schönheit und einer so behutsamen Annäherung an die Forschungsgegenstände. Er zeigt die atemberaubenden Landschaften, lehrt aber, sie mit der Kenntnis der überlieferten Rituale der Bergvölker zu sehen. Dabei machen die filmischen Schilderungen keinen Unterschied zwischen Glauben und Wissenschaft: Der Film ist Feldforschung mit offenen Augen in Bereichen, für die es nur die mündliche Überlieferung gibt. Deutlich wird auch das allmähliche Begreifen der Mythen durch den Regisseur selbst.
Der 223 Minuten lange Film stammt von Michael Oppitz. Er ist sozusagen sein „Hauptwerk“. Er steht nun auch im Zentrum seiner fantastischen Ausstellung im Kolumba, die völkerkundliche Dokumente und Objekte der Schamanen, Bücher, Filme, Fotografien und auch Kunst von ihm selbst umfasst. Erster Gedanke für dieses Projekt war tatsächlich ein Künstlerbuch im Sammlungsbestand des Kolumba, das Lothar Baumgarten und Michael Oppitz 1974 angefertigt haben. Oppitz wurde 1942 in Schlesien geboren. Aufgewachsen in Köln, studierte er Ethnologie, Soziologie und Sinologie in Berkeley, Bonn und Köln und stürzte sich von Anfang an auf die Dinge und Ereignisse vor Ort. Seit 1965 forscht er in Nepal, Yunnan und Sichuan. Im heimischen Rheinland aber steht er in seinen frühen Jahren gleichzeitig im Kontakt mit der Kunstszene, besonders mit Candida Höfer, Joseph Beuys und Sigmar Polke, denen er Aspekte des Schamanismus näherbringt. Selbst betätigt er sich für kurze Zeit sogar künstlerisch, in Verbindung mit seinen Forschungen und Forschungsmethoden. So hat er mit Lothar Baumgarten auf das „Adlermuseum“ von Marcel Broodthaers reagiert, das er 1972 in der Kunsthalle Düsseldorf gesehen hatte und das den Museumsbetrieb hinterfragte, indem es Adlerdarstellungen zwischen Kitsch und hohem Wert gleichberechtigt präsentierte. Baumgarten und Oppitz antworten, schwer beeindruckt, darauf 1974 mit einer „Rabe“ betitelten Ausstellung in der Düsseldorfer Galerie Fischer: aus „der Perspektive der nordamerikanischen Indianer, bei denen ja der Adler (wie auch der Rabe) eine enorme ikonographische und reale Bedeutung hatte“, sagt Oppitz heute in einem Kataloginterview. „Und diese Bedeutung bei den verschiedenen Indianergruppen vorzuführen in Form von ethnographischen Quellenzitaten, war Teil unserer Ausstellung.“ Dazu hingen in der Galerie Fischer Adlerfedern, beschriftet mit indianischen Ethnonymen, in einer Reihe an der Wand: Diese Installation ist nun im Kolumba wieder zu sehen. Michael Oppitz, der sich bald danach ausschließlich der Völkerkunde zuwendete und etliche Bücher zur Ethnographie des Himalaya und zur visuellen Anthropologie veröffentlicht hat, wurde 1991 Professor an der Universität Zürich und damit zugleich Leiter des Zürcher Völkerkundemuseums, wo er bis zu seiner Emeritierung 2008 blieb. Vor ein paar Jahren hat er zwei dicke Bände zur „Morphologie der Schamanentrommel“ veröffentlicht; darauf bezieht sich in der Ausstellung das Feld aus 25 Trommeln, die aus dem Himalaya und aus Sibirien stammen und nun sogar noch den Klang als Ereignis hinzubringen.
Im Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, das die liturgischen Gegenstände der christlichen Religion mit Designobjekten und Kunstwerken der Gegenwart in Beziehung setzt, wozu aktuell Objekte aus dem Römisch-Germanischen Museum kommen, sind die Verknüpfungen mit der so fernen Mythologie erst recht spannend. Sie sind, umzusetzen im Kopf, genial. Sie weisen darauf hin, dass wir versuchen sollten, den Blickwinkel unserer Kultur und unserer Religion zu verlassen, also dass wir nicht alleine sind. Und dass rituelle und liturgische Objekte und Vorgänge von wo auch immer die Qualität und den Reichtum eben von Kunst haben können.
Michael Oppitz – Bewegliche Mythen | bis 3.12. | Kolumba | 0221 93 31 93 32
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