Die vielen Wolken, die heute über den Himmel ziehen, brechen kurz auf. Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch das Glas und bringen das Kunstwerk von Aljoscha zum Leuchten. Das grelle Neonrosa kontrastiert mit dem durchscheinenden Hellblau des Himmels und der Innenfassade im 60er-Jahre-Chic. Beinahe organisch wirkt die unter dem gläsernen Dach schwebende Installation „Paradise to be created“, die dem länglichen Verlauf der Fußgängerpassage folgt.
Aljoscha ist einer von 15 Künstlern, die im Rahmen der Ausstellung „Lost Places“ die Leverkusener City C neu gestalten. Ebenfalls beteiligt sind zum Beispiel Julia Bünnagel, Johanna Reich und Boris Becker. Das Projekt ist eine Kooperation von Bayer Kultur und dem Kunstverein Leverkusen. Susanne Wedewer-Pampus, stellvertretende Vorsitzende des Vereins, ist eine der beiden Kuratorinnen. Bei der Realisierung war es ihr und ihrer Kollegin Andrea Peters wichtig, dass die Kunst für die Menschen leicht zugänglich ist. „Es ist kein kunsthistorisches Schwerwerk, denn wir wollten, dass es gut lesbar und für alle Bürger da ist“, so Wedewer-Pampus. „Die meisten der hier ausgestellten Künstlerinnen und Künstler haben Arbeiten speziell für diesen Ort geschaffen.“
Diese setzen sich unter anderem kritisch mit dem Thema Konsum sowie dem Verfall und der Neubesetzung von städtischem Raum auseinander. Einst wurde die City C nämlich als erste Einkaufspassage der Stadt Leverkusen eröffnet. Ab 1969 florierte hier zunächst das Geschäft, inzwischen ist die Ladenzone aber seit anderthalb Jahrzehnten von Leerstand geprägt und zu einem sogenannten Lost Place geworden. „Lost Places sind Teile einer Stadt, die verloren sind – für die Stadtgesellschaft und für die Kommunikation. In Großstädten sind es oft Orte, die romantisiert werden, so wie alte Industriegebiete. Hier ist es im wahrsten Sinne einfach ein verlorener Ort“, so Wedewer-Pampus. Auch die Überdachung des Areals, die in den Neunzigern nachträglich angebracht wurde, konnte an dem schleichenden Prozess der Abkehr nichts ändern.
Heute nutzen die Einwohner Leverkusens das ehemalige Shopping-Paradies vor allem als Abkürzung von der Innenstadt zur S-Bahn-Station. Es wäre zu viel, seine Architektur in ihrer Gesamtheit als schön zu bezeichnen, aber das Design ist so facettenreich, dass man sich durchaus in Details verlieben kann. So zum Beispiel in die hellblaue Fassade, deren Kacheln so verspielt schimmern. Um die Kunstwerke ästhetischer präsentieren zu können, haben Wedewer-Pampus und die anderen Beteiligten teilweise ein wenig nachgeholfen: „Zuvor waren hier überall noch verdreckte Folien der alten Geschäfte und die haben wir zum Großteil entfernt und alles etwas cleaner gemacht.“
An anderen Stellen sind die Kontraste noch erhalten. Am Eingang der Passage hat kürzlich ein Barber Shop eröffnet und bietet dem fast vollständigen Leerstand nun zusammen mit einem Second-Hand-Laden und einem Afro-Shop die Stirn. „In diesem Barber Shop ist ein Mann schöner als der andere. Wenn man hier steht und die Rituale dort drinnen mitkriegt und dazu dann die Arbeiten von Andy Kassier...“ Wedewer-Pampus zeigt auf die großformatigen, klischeehaft inszenierten Porträts seines wie geleckt wirkenden Alter-Egos an den Dachstreben gegenüber und findet, sie seien dort genau am richtigen Platz. Denn „das ist eben das Schöne, dass sich das alles hier so ergibt, mit all diesen wunderbaren Querverbindungen.“
Lost Places | bis 31.10. | City C Leverkusen | www.lostplaces.art/city-c-leverkusen
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