„Tanzt, tanzt, tanzt – sonst sind wir verloren”, forderte Pina Bausch (1940-2009) zu Lebzeiten, und auch das Kino sieht sich zunehmend diesem Appell verpflichtet. Nicht nur auf dem klassischen Weg, den aufwändige Musicals und Tanzfilme in den vergangenen Jahrzehnten ebneten und in dessen Fortsetzung sich der starbesetzte „Burlesque“ versteht. Christina Aguilera tanzte sich darin gerade durch den amerikanischen Traum, mit weichgespülten Anleihen bei Paul Verhoevens „Showgirls“. „Moulin Rouge“, „Nine“ – die letzten Jahre zeigen, dass der Wunsch nach verträumtem Bombast in Set und Dekor auch fern von Bollywood anhält.
Wie auf der Bühne muss Tanz natürlich auch im Film nicht zwingend in Show und verklärtem Zeitvertreib münden. Darren Aronofsky wählte eine Ballerina als Protagonistin für seinen Psychothriller „Black Swan“, dem düsteren Seelenspiegel einer zerrissenen Tänzerin. Ob eingebettet in ein Sozialdrama, in dem ein kleiner Bergwerksarbeiter-Sohn dem Vater mit Ballett daherkommt („Billy Elliot“) oder als Tanzmarathon, der den Rahmen eines Gesellschaftsdramas bildet („Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“, 1969) – Tanz und Kino verwachsen facettenreich. Und das auch zunehmend dokumentarisch. Thomas Grube und Enrique Sánchez Lansch widmeten 2004 mit „Rhythm is it!“ dem Tanzpädagogen Royston Maldoom eine mitreißende Dokumentation, die nicht nur die Seele des Tanzens streift, sondern vor allem den Blick auf die theaterpädagogische Funktion richtet. Vergleichbares hatte die filmische Beobachtung „Tanzträume - Jugendliche tanzen Kontakthof von Pina Bausch“ im Sinn, in der sich Jugendliche beim Ausdruckstanz verwirklichen und ihre Körperlichkeit entdecken. Einer von ihnen wurde durch „Billy Elliot“ inspiriert. Der Dokumentarfilm interessiert sich dabei nicht nur für den Nachwuchs: Gerade zeichnete „La Danse“ ein erschöpfendes wie spannendes Bild davon, wie es bei den Profis des Balletts der Opéra National de Paris zugeht.
Vorläufiger Höhepunkt in dieser Reihe, die Tanzensembles portraitiert, dürfte „Pina“ von Wim Wenders sein, der am 24. Februar startet und eine filmische Widmung an Pina Bausch ist. Im Oktober 2009 besuchte ich in Wuppertal Pina Bauschs Stück „Vollmond“. Schwere Kameras waren hinter und über den Zuschauerreihen aufgebaut, Wim Wenders begrüßte das Publikum, dann sah man den Regisseur beseelt in seinem Raum verschwinden. „Pina“, ein Tanzfilm in 3D, verspricht ein ganz besonderes, sinnliches Erlebnis zu werden. Außer Frage steht dabei: Die wahre Faszination des Tanzes gibt es nur live auf der Bühne. Die Kunst des Kinos ist der besondere Blick darauf. Wie der von Wim Wenders, dessen Kameraauge dem Tanz nicht nur aus der ersten Reihe heraus huldigt, sondern ihm auf die Bühne folgt und ihn über die Bühne hinaus trägt.
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