Man mag es fast nicht glauben: Die erste und bis heute einzige regelmäßige und kontinuierliche Filmkritik stammt aus der katholischen und evangelischen Kirche. Zum Jahresbeginn erinnern wir an die Gründung der Katholischen Filmkommission, die mit Hilfe eines Wuppertalers 1949 entstand. Wilhelm Bettecken, Stadtleiter der katholischen Jugend in Wuppertal, und einige andere waren Redakteure des „Filmdiensts der Jugend“, der dann in den „film-dienst“ umbenannt wurde, und von der Filmkommission herausgegeben wurde. Die Filmkommission setzte sich zusammen aus Eltern, Ärzten, Lehrern, Geistlichen, Arbeitern, Kaufleuten und anderen und verfolgte die Aufgabe der Filmkritik. Ihr sittlich-religiöses Urteil war einheitlich und orientierte sich an den Weisungen der päpstlichen Enzyklia, die künstlerische Bewertung hingegen war individuell. Neben ausführlichen Kritiken wurden den Filmen stets auch Bewertungen beigegeben, die von 1 (für alle geeignet) mit Einschränkungen für Kinder und Jugendliche (1E und 2J), 2(E)E mit (erheblichen) Vorbehalten, 3 für „vom Besuch wird abgeraten“ bis 4 = abzulehnen reichten. In Ermangelung einer ernsthaften künstlerischen Auseinandersetzung und Filmbewertung auf anderen Ebenen fühlte sich die Filmkommission dafür verantwortlich, die Bevölkerung, die in der Vorfernsehära die Kinos etwa 10mal so oft besuchten wie heute, zu informieren und zu schützen. Die Gründung der katholischen Filmliga 1951 wandte sich an die Gläubigen unter den Kinobesuchern, mit Erfolg. Die Zeitschrift „Das Parlament“ schrieb 1954: „Fast zwei Millionen Menschen haben das (…) Versprechen abgelegt, die von der Kirche empfohlenen Filme zu fördern und die abgelehnten zu meiden“. Unterstützt, gefördert und finanziert wurde die Filmkommission von diversen Einrichtungen der Kirche wie der Bischofskonferenz und dem untergeordneten Filmreferat, Filmbischöfen, katholischen Lichtspielverbänden, der Kirchlichen Hauptstelle für Bild- und Filmarbeit und dem Internationalen Katholischen Filmbüro (OCIC).
Die Geschäftsschädigung, die insbesondere viele Kinobetreiber in dieser Nebenzensur sahen, war von der Filmkommission durchaus beabsichtigt, wollte sie doch insbesondere die Jugend und ihre Gläubigen vor den schädlichen Einflüssen der Filme schützen. Doch häufig war das Gegenteil der Fall: Oft erfreuten sich die unsittlichen Filme einer besonderen kommerziellen Wertschätzung, wie die Filme „Das Schweigen“ von Ingmar Bergman oder „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef eindrucksvoll bewiesen.
Das Sendungsbewusstsein der Katholischen Kirche hatte aber auch etwas Akribisches, denn man hatte es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Film, der in Deutschland ins Kino (und mittlerweile auch ein Großteil der auf DVD erscheinenden Werke) kommt, zu würdigen. Die fortlaufenden Nummern der Filmkritiken haben mittlerweile fast 40.000 erreicht, und natürlich widmet sich das hervorragend gestaltete Heft allen Fragen und Themen des zeitgenössischen Films. Mittlerweile schreiben für den film-dienst zahlreiche Autoren, die auch in anderen Organen publizieren, und der Eindruck eines kirchlichen Organs ist fast nicht mehr zu spüren.
1987 gab der Rowohlt-Verlag das Lexikon des Internationalen Films heraus, das mittlerweile bei 2001 erscheint. Darin sind alle Kurzkritiken, die bislang im film-dienst erschienen sind, zusammengefasst und stellen damit das Archiv der deutschen Filmherausbringung dar. Über 52.000 Filme sind in diesem lückenlosen Nachschlagewerk enthalten, und heute ist das farbige, meist 60 bis 70 Seiten starke Heft lesenswerter denn je, auch wenn die „Empfehlung“ „Wir raten ab“, kaum mehr zu lesen steht (Zitate und ein ausführlicher Beitrag zu 60 Jahre Filmkommission steht unter www.film-dienst.de).
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