Wenn deutsche Großstädte auf ihren Websites ihre Weltoffenheit vorstellen wollen, tun sie das meist mehrsprachig. Frankfurt.de zum Beispiel präsentiert sich in 11 Sprachen, auf duesseldorf.de spricht man neben Englisch auch Russisch, Japanisch und Chinesisch. Die Website der Stadt Köln beschränkt sich dagegen auf die Amtssprache Deutsch. Tatsächlich werden in Köln über 120 verschiedene Sprachen gesprochen. Die Mehrzahl der KölnerInnen sind Zugezogene. Ob mit oder ohne Migrationshintergrund: Die einen mögen Kölsch, die anderen nicht. Man ist bürgerlich, kosmopolitisch oder hedonistisch und subkulturell orientiert. Nur ein kleiner Teil davon ist religiös verwurzelt. Und doch fiel dem offiziellen Köln unter dem scheidenden OB Fritz Schramma (CDU) beim Thema „Integration und Migration“ vor allem ein „interreligiöser Dialog“ ein. So hinkt Köln wieder einmal den Trends der Stadtgesellschaft hinterher.
Zeitzeichen: vor 30 Jahren
Man schreibt das Jahr 1979: Heinz Kühn (SPD), in Köln geborener und lebender NRW-Ministerpräsident a.D. und nunmehr erster Ausländerbeauftragter der Bonner Bundesregierung, sorgt sich um den Stand der „Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien in der Bundesrepublik Deutschland“. Im September präsentiert er ein mittlerweile legendäres „Memorandum“, das mit zentralen Vorurteilen abrechnet. Deutschland – so Kühn – ist ein Einwanderungsland, die von der Politik propagierte „Integration auf Zeit“ eine Illusion. Das „Optionsrecht Einbürgerung“ müsse ernst genommen, die politischen Beteiligungsrechte für Migranten etwa durch ein kommunales Wahlrecht gestärkt werden. Das mag man in Köln/Bonn und anderswo (noch) nicht hören. Die gültige Politik gibt Alfred Dregger vor, ein hessischer CDU-Rechtsaußen. Er bezweifelt die „Integrationswilligkeit“ der Ausländer an und für sich, pocht auf die „deutsche Kultur“ und verlangt die bedingungslose Assimilation der hier heimisch gewordenen Fremden.
Fast 30 Jahre später analysiert das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) die Wirtschaftskraft deutscher Städte. Das Ergebnis: „In kulturell vielfältigen Regionen produziert ein Arbeitnehmer, gemessen in Euro, im Durchschnitt mehr als in Regionen, in denen die Beschäftigungsstruktur vergleichsweise wenig von Zuwanderern aus unterschiedlichen Herkunftsländern geprägt ist.“ Die Autoren loben ausdrücklich Frankfurt, Stuttgart und München für ihre Integrationspolitik. Köln liegt in Sachen „Diversitätsindex“ zwar über dem Bundesdurchschnitt, kann aber mit den süddeutschen Metropolen nicht Schritt halten. Als besonders ärgerlich wird vermerkt: die angeblich weltoffene und tolerante Metropole am Rhein verfügt „als einzige der untersuchten Städte bisher über kein kohärentes Integrationskonzept“.
Das soll sich jetzt ändern. Noch im Herbst will der Stadtrat ein entsprechendes Papier verabschieden. Mit dem „Kulturentwicklungsplan“ sollen in der Kulturpolitik die Kategorien „Herkunftsland“ und „Integration“ aufgelöst werden. Im Gespräch ist die Gründung einer „Akademie der Künste der Welt“, und im Mai 2010 wird das Rautenstrauch-Joest-Museum endlich sein neues Haus am Neumarkt eröffnen.
Integration oder Vielfalt
Bei der neuen integrationspolitischen Debatte fallen einige Ladenhüter auf. Der Größte davon ist der Begriff „Integration“ selbst. Gewöhnlich stehen bei ihm Defizite der Migranten im Mittelpunkt, nicht ihre Potenziale, moniert etwa der Kölner Psychologe Mark Terkessidis. Für zukunftsfähig hält er nur das Konzept Vielfalt – es akzeptiert die unterschiedlichen Kulturen und Milieus in der Gesellschaft und fördert den interkulturellen Dialog. Terkessidis: „Im Zentrum stehen nicht bestimmte Gruppen, sondern das Individuum.“ Das zur Verabschiedung anstehende „Kölner Integrationskonzept“ ist davon noch ein Stück entfernt. Es soll ein „zuwanderungsfreundliches Klima“ schaffen und die „Offenheit der Aufnahmegesellschaft und die Integrationsbereitschaft der MigrantInnen“ fördern – so als gelte es, die jetzt schon mehr als 300.000 KölnerInnen mit Migrationshintergrund aus einer Parallelwelt zu holen. Die Kulturpolitik scheint offener zu sein. Nach Empfehlung des Rates soll sich eine „Akademie der Künste der Welt“ um das interkulturelle Miteinander von Kunst, Kultur und Kindern „als selbstständiger Ort des Dialogs“ kümmern und dabei in die nicht so aufgeschlossenen städtischen Institute hinein wirken. Interessant wird sein, wie sich das neue Rautenstrauch Joest Museum positioniert. Kultur und Gesellschaft bilden aus ethnologischer Sicht längst keine Einheit mehr, moderne „Völkerkunde“-Museen sind der kulturellen Vielfalt verpflichtet und nicht selten Teil des interkulturellen Dialogs. Das Hamburger Völkerkundemuseum etwa will „allen Kulturen Respekt verschaffen“, französische Museen haben den „Migranten“ als europäische Leitfigur erkoren. Schon im alten Kölner Haus am Ubierring wurden in großen Ausstellungen weltweite Themen wie „Die Braut“, „Männerbünde“ oder „Rausch und Realität“ vergleichend präsentiert. Auf den neuen Kölner Blick darf man gespannt sein.
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