Emitis Pohl ist geschäftsführende Vorsitzende des Vereins seiSTARK e.V., der sozial benachteiligte oder in Not geratene Frauen unterstützt. Das neue Angebot, das Café Selenskyj, lädt jeden Sonntagabend Jugendliche aus der Ukraine in die Bagatelle Bar ein.
choices: Frau Pohl, Ihr Verein ist recht jung. Wie ist seiSTARK e.V. entstanden?
Emitis Pohl: Ich komme aus dem Iran, kam als Flüchtlingskind mit 13 Jahren alleine ohne Eltern nach Deutschland. Und ich hatte einen Traum als Kind: Ich wollte Frauen fördern und unterstützen. Ich habe viele Mentorinnen hier in Deutschland gehabt, die mich auf meinem Weg begleitet haben. Ob zu meinem Abitur, zum Studium oder in meinem selbstständigen Leben, immer hatte ich diese Menschen. Und ich hab gedacht, warum gibt es sowas nicht für sozial benachteiligte Frauen? Es kann nicht sein, dass Frauen, die in Führungspositionen sind, Mentorinnenprogramme besuchen dürfen, gecoacht werden. In einer Fernsehsendung habe ich als Expertin eine Harzt IVFamilie begleiten dürfen und gemerkt, dass es in Deutschland notwendig ist, dass man benachteiligte Frauen unterstützt. Von heute auf morgen habe ich gesagt, ich werde meine Agentur komplett schließen, mich aus der Medienbranche verabschieden. Ich hatte meine Erfolgsgeschichte, hatte Bücher geschrieben und wurde Unternehmerin des Jahres 2018. Es hat mich alles nicht mehr erfüllt.
Das war der Start von seiSTARK?
Genau. Im Januar habe ich dann mit elf tollen, starken Frauen und einem „Quotenmann“ den Verein gegründet. Seit dem 3. März sind wir registriert. Unser Ziel ist es, dass wir sozial benachteiligten Frauen als Mentorinnen helfen, ihnen die Tür öffnen, aber sie müssen selber da durch. Wir haben keine Psychologen, keine Sozialpädagogen, wir sind reine Alltagsbegleiter. Dann fing der Krieg in der Ukraine an. Frauen brauchen unsere Hilfe – ob jetzt Ukrainerin, Deutsche oder Afghanin, egal welcher Herkunft, Hautfarbe oder Religion. Wir werden allen Frauen helfen. So haben wir dann auch angefangen.
Wie kam es zu der Idee von Café Selenskyj und zur Zusammenarbeit mit der Bagatelle Bar und dem Karnevalsverein KG Ponyhof?
Wir haben das Café Vinok ins Leben gerufen, in der Stadtbibliothek. Das war das erste Café, was hier in Köln gegründet wurde, wo Ukrainerinnen teilnehmen konnten. Ponyhof kam auf uns zu, um uns kennenzulernen und zu erfahren, was wir machen. Unsere Deutschkurse haben sie für sechs Wochen finanziert, als wir keine Fördermittel bekommen haben. Sie wollten mit uns etwas für junge Menschen auf die Beine stellen. Unbürokratisch. Das ist der Vorteil unserer Vereine. Der Bagatelle-Geschäftsführer Daniel Rabe ist Mitgründer des Vereins KG Ponyhof. Und dann haben wir uns gemeinsam mit dem Spendenkomitee von Ponyhof entschlossen, wir machen Café Selenskyj. Das Café Vinok ist eher für Mütter und Kinder, Café Selenskyj für junge Menschen. Es sind alle herzlich willkommen, aber der Fokus ist ein Programm für junge Menschen zwischen zwölf und achtzehn. Sie haben einen Kickertisch, können Darts spielen, Musik hören und tanzen.
Wird das Angebot bisher gut angenommen?
Ja. Das kommt gut an, das merkt man. Wir wollen einen Ort schaffen, wo die Menschen sich ohne Sorgen austauschen, wo junge Menschen chillen können. Die Bilder, die sie dann in die Ukraine schicken – an ihre Väter, Großeltern, Verwandte – lassen sie wissen: Sie sind hier bei uns in Köln gut aufgehoben. Sie sind in Sicherheit und fühlen sich hier wohl. Das ist die Botschaft, das ist unser Ziel. Wir merken auch, dass sie sich untereinander austauschen, Kontakte knüpfen, bürokratische Dinge klären. Einige haben z.B. noch keinen Termin beim Sozial- oder Ausländeramt oder haben noch keine Arbeitserlaubnis. Manche sagen aber, sie wollen davon nichts wissen: „Lasst mich alle in Ruhe, ich will einfach hier mein Bier oder meine Cola trinken“.
Warum der Name „Café Selenskyj“?
Das ist einfach so entstanden. „Café Vinok“ hat einen bestimmten Grund. „Vinok“ ist ein Kranz und spielt für ukrainische Frauen eine besondere Rolle. Auf Veranstaltungen tragen die Frauen einen Kranz aus Blumen auf dem Kopf. Ganz passend zum Kaffeekränzchen. Der Name „Café Selenskyj“ ist entstanden, um symbolisch ein Zeichen zu setzen.
Wie nehmen Sie das ehrenamtliche Engagement wahr? Gibt es Menschen, die unterstützen, helfen oder mitarbeiten wollen?
Am Anfang waren es viele, die uns unterstützen wollten, auch zu Beginn des Krieges. Aber langsam merkt man, dass das zurück geht. Das war 2015 ähnlich. Das Problem ist, dass die Leute natürlich auch arbeiten. Keiner kann sich um 10 Uhr morgens immer die Zeit nehmen mit einer unserer Frauen zum Amt zu gehen. Aber wir als Verein sind dankbar, wenn wir viele Mentorinnen aufnehmen können, die diese Frauen unterstützen und begleiten. Sie müssen nicht 24 Stunden oder rund um die Uhr für die Frauen da sein, aber es ist wünschenswert, dass sie sich in der Woche zwei, drei Stunden Zeit nehmen.
Welche Möglichkeiten gibt es, Sie zu unterstützen?
Natürlich mit Geldspenden. Wir wollen auch mehr Angebote schaffen, z.B. ein Coaching für Frauen und Kinder oder Betreuung für schwangere Geflüchtete und dafür brauchen wir Mittel. Sachmittel können wir nur individuell annehmen. Aber wir haben nicht den Platz zum Lagern. Also eher Geld und Manpower. Das ist das wichtigste, was an Hilfe benötigt wird.
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