Die ganze Bildung liegt am Boden. Sebastian Haffner, Anais Nin, Theodor W. Adorno, Herbert Prantl – alles bereit für die Kiste. Doch Sebastian (Sascha Tschorn), eine akademische Sumpfdotterblume im Schlabberlook, ziert sich, als ob es zur Beerdigung ginge, anstatt zum Umzug nach Zürich. Er kniet zwischen seinen Hausgöttern, malt mimosenhaft Menetekel des akustischen Overkills in der neuen Wohnung an die Wand – bis seine Freundin Hannah die einfache Frage stellt: „Wovon leben wir denn?“ Von ihren Zen-Seminaren für Banker nämlich.
Das Paar hat einen befristeten Wohnungstausch mit Roman und Magdalena vereinbart – quasi als Ausweis der eigenen Zugehörigkeit zur globalen, selbständigen Elite. Moritz Rinkes Vierpersonenstück „Wir lieben und wissen nichts“ ist Intellektuellen-Boulevard im Stil einer Yasmina Reza, allerdings ohne deren Schärfentiefe und bissigen Ironie – was aber der Unterhaltung keinen Abbruch tut. Die Fallhöhen der Figuren sind eher gering. Was beim intellektuellen Schaumschläger Sebastian der Pornokonsum, ist bei der drahtigen, zupackenden Hannah (Barbara Fernandéz) ein lächerlicher Tierschützeralbtraum von einer bedrohten Eisbärenfamilie. Als das Tauschpaar dann viel zu früh einläuft, eskaliert der Konflikt. Der Satellitentechniker Roman (Matthias Lühn) ist ganz hochgespannter Technikfetischist, dem die Wunderwelt der digitalen Kommunikation Beziehung und Sex ersetzt. Ähnlich wie bei Ibsen leben auch Rinkes Männer in schillernden Traumwelten und verweigern sich der Realität. Frauen dagegen haben den Durchblick, scheitern aber an ihrer Anhänglichkeit. Magdalena (Mirjam Heimann) säuft fortlaufend, weiß, dass Roman seinen Job verloren hat und es nicht wahrhaben will – und hängt trotzdem an ihm. Es kommt, wie es kommen muss, die Paare finden überkreuz Gefallen aneinander – bis zur kleinen Katastrophe. Heinz Simon Keller inszeniert mit viel Sinn für Tempo und ohne Firlefanz. Knapp zwei Stunden gute Unterhaltung.
„Wir lieben und wissen nichts“ | R: Heinz Simon Keller | Theater der Keller | Sa 3.10., Sa 17.10., Fr 23.10., Sa 31.10. 20 Uhr | 0221 27 22 09 90
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