Millionen Stimmen. Ungehört. Der Stadtmensch. Anonym. Gehetzt. Neurotisch. Getrieben von ewiger Selbstoptimierung. Bis jetzt. Denn jetzt folgt das Heilsversprechen in Hochglanz: Smart City. Urbane Digitale!
Die Idee: Zuallererst entspricht die Stadt ja einer einzigen Abkürzung. Bäcker, Gyros und Friseur in fußläufiger Nähe. Es muss schnell und schneller gehen in der Stadt – und wofür steht Digitalisierung, wenn nicht für Schnelligkeit? Aber Smart City kann noch mehr: Algorithmen regeln den Verkehrsfluss. Digitale Screens bieten Speedinfotainment und einfache Antworten überall. Fortschritt durch Technologieoffenheit – in Deutschland inzwischen sogar interessant im Hinblick auf Technologie, die es andernorts längst gibt. Die smarte Stadt als Wohlstandsgenerator. Und nicht nur das, sie verspricht auch mehr Transparenz: Wer will, erhält auf Knopfdruck Einblicke in die Stadtplanung. Politische Partizipation, vernetzte Nachbarschaft und, wow: Mausklick statt Behördengang. Letzteres ist in einer Behörde übrigens längst (bindend) etabliert: beim Finanzamt. Tja, wenn Geld in die Staatskasse kommt, gibt sich sogar Deutschland zeitnah zukunftsoffen. Anders sieht es aus, wenn die Bürger:innen etwas vom Staat wollen. Aber auch das scheint nun überwunden: Urbane Digitalisierung als Bote einer rosigen Zukunft, in der sich alle noch weniger begegnen, aber jede:r mehr gehört wird. Realität gewordene Utopie. Hurra.
Angst leichtgemacht
Hurra, naja – kommen wir zur Dark Side of Smart City: Der Mensch in der Smart City, inzwischen von Geburt an gekoppelt ans Smartphone, ist damit nicht automatisch ein smarter Stadtmensch. Smart sind zuerst einmal Technik, Algorithmen, Botschaften und die, die sie schreiben. Denn während uns Stadtmenschen von der Lokalpolitik vermeintlich mehr Freiheit und Teilhabe durch Digitalisierung versprochen werden, wünscht sich die Politik im Gegenzug mehr Teilhabe an unserem Privatleben. Wie? Mit leichten Antworten. Leichte Antworten – das können wir auch: Warum verspricht die Smart City nicht nur Wow und Freiheit, sondern auch Sicherheit? Weil wir Angst haben. Warum? Weil Smart City und World Wide Web nicht nur einfache Antworten liefern, sondern auch Ängste schüren. Warum? Damit sie uns Sicherheit verkaufen können. Womit? Mit vernetzten Überwachungssystemen.
Smart überwacht
Kameras und Strahlungsdetektoren, die unsere Straßen und Gassen in Echtzeit überwachen und uns schützen. Was man bei derlei Sicherheitsversprechen rasch übersieht: Jede:r ist im Visier, und ehe man es sich versieht, stehen alle gleichberechtigt unter Generalverdacht: „Die erfasste Stadt“ verknappt es der Kapitalismus- und Technikkritiker Jathan Sadowski auf akweb.de. Smart City, Smart State, Smart World: Was klingt wie eine dystopische Farce, wird in China bereits Realität. Und wer mantramäßig entgegnet: „Ich hab doch nichts zu verbergen“, der sei daran erinnert: Ja sicher, aber du hast was zu verlieren: Dein Freiheitsrecht auf Privatsphäre! Und das sieht sich nicht bloß in autoritären Staaten bedrängt: In den USA verschenken der Staat und Privatkonzerne Kameras für die eigene Haustür, auf die Staat und Konzerne rund um die Uhr Zugriff haben. Freiwillige Überwachung. Wir fühlen uns geholfen, unsere Millionen Stimmen werden gehört! Abgehört. Und kameraüberwacht. China und die USA demonstrieren schon heute, wohin zu viel Smart City führen kann. Erste-Liga-Fußballer:innen sind klar im Vorteil: Das Sprechen hinter vorgehaltener Hand ist hier längst ritualisiert. Wir sollten wohl alle schon mal üben.
MUNDWERK - Aktiv im Thema
dako-ev.de | Der in Köln ansässige Verein Deutsch-Afrikanische Kooperation setzt sich ein für „Integration und Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund mit und ohne Behinderung, unabhängig von Alter, Nationalität, Religion und Geschlecht“.
korientation.de | Der 2008 gegründete Verein korientation – Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven klärt über antiasiatischen Rassismus und das „(post)migrantische“ Leben in Deutschland auf.
bv-nemo.de | Im Bundesverband Netzwerke von Migrant*innenorganisationen e.V. setzen sich über 750 Vereine für eine diskriminierungskritische Gesellschaft ein.
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