Köln, 11. August: „Es lohnt sich, über diesen Film zu reden“, sagt Filmproduzent Gerd Haag geheimnisvoll bei der Premiere des neuen Films von Andrei Schwartz im Kölner Filmhaus Kino. Die Kölner Produktionsfirma TAG/TRAUM hat bereits den zweiten Film des rumänischen Regisseurs Andrei Schwartz produziert. So wirkt er gemeinsam mit Kollegin Kerstin Krieg von TAG/TRAUM, Cutterin Rune Schweitzer und dem ebenfalls anwesenden Regisseur Andrei Schwartz sichtbar wie ein eingespieltes Team. Fast wie gute Freunde präsentieren sie den neuen Film „Himmelverbot“, der in ausgewählten Kinos im Bundesgebiet an den Start geht. Um Freundschaft und gemeinsame Wahrheiten geht aus auch in dem Film, wenn auch erst auf den zweiten Blick.
Als Gabriel nach über zwanzig Jahren Haft auf Bewährung entlassen wird, ist Schwartz als Filmer und Freund an dessen Seite. Dass Gabriel als Lebenslänglicher auf Bewährung freigelassen wurde ist eine Maßnahme, die in Rumänien erst seit dem EU-Beitritt des Landes vor ein paar Jahren angewendet wird. Nur wenige konnten bisher davon profitieren. Andrei und Gabriel hatten sich zehn Jahre zuvor bei Dreharbeiten zu Schwartz‘ Film „Jailbirds – Geschlossene Gesellschaft“ (2005) im rumänischen Hochsicherheitsgefängnis Rahova kennengelernt. Man merkt dem Film an, dass der Regisseur intime Einsichten hatte in den Alltag in einem rumänischen Gefängnis. Gerne beantwortet Andrei Schwarz Fragen aus dem Publikum. „Als ich Gabriel nach einiger Zeit zur Begrüßung am Gefängniseingang umarmte, dachte die Aufsicht, ich sei auch ein Sträfling und griff ein.“ „Himmelverbot“ beginnt mit der Entscheidung des Bewährungsausschusses und begleitet Gabriel anschließend die ersten zwei Jahre in Freiheit. Kamerafahrten entlang öder verfallender Wohnblocks wechseln mit jenen durch die engen Gefängnisgänge. Andrei Schwartz gibt bei der Premiere Anekdoten aus seinen beiden Gefängnisfilmen zum Besten und mildert so diese teilweise sehr düsteren Kamerafahrten des Filmes nachträglich ab.
Neben Episoden aus dem Gefängnisalltag und Problemen in der Familie führen die Gespräche zwischen Regisseur und Protagonist immer wieder auch zum Anfangspunkt zurück: dem Mord. Es heißt, Gabriel habe die Staatsanwältin aus Rache erschossen. Als „lausigen Juden“ habe sie ihn beschimpft und ihn auf bloßen Verdacht zuvor schon sechs Jahre hinter Gitter gebracht. Gabriel scheint seine Tat ehrlich zu bereuen und dennoch beschleichen den Filmemacher zunehmend Zweifel, ob er die ganze Wahrheit sagt. Licht ins Dunkel kann nur die Einsicht in die Mordakte bringen. Von nun an wandelt sich das Geschehen, man schaut genauer hin, denn die atmosphärischen Störungen scheinen sich wie ein Schleier über die Beziehung der beiden Männer zu legen. Nichts scheint mehr, wie es war: was ist Lüge und was Wahrheit? Die Freundschaft zwischen Regisseur und Protagonist wird auf eine harte Probe gestellt. Als Zuschauer begreift man langsam, worum es hier (auch noch) geht. Man möchte den Film am liebsten zurückspulen, um ihn von Anfang an unter diesem Aspekt sehen zu können.
Im Gefängnis hat Gabriel über zwei Dekaden wie in einer Parallelwelt gelebt. Und so euphorisch er bei seiner Entlassung ist, so schlecht ist er auf das Leben „draußen“ nach über 20 Jahren vorbereitet. Die Einsamkeit irritiert ihn, denn gewohnt ist er das enge, raue und herzliche Zusammenleben mit den Mitinsassen. Nicht nur einmal denkt er: Wäre ich doch lieber im Knast geblieben. Der Film zeigt auch die Nöte Rumäniens, eines Landes, das von Arbeitslosigkeit und einer strauchelnden Wirtschaft geprägt ist. Als Gabriel in Rumänien keine ehrliche Arbeit findet, versucht er es wie viele seiner Landsleute mit seiner Lebensgefährtin in Deutschland. Heute arbeitet Gabriel 60 Stunden pro Woche in zwei Jobs“, erzählt Regisseur Andrei Schwartz bei der Filmpremiere in Köln. „Er hatte keine Zeit, zu kommen!“
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