Braque war der Stille und Bedächtige, auch in seiner Malerei. Picasso hingegen war der „Macher“, der emsig arbeitete und sich öffentlich in Szene setzte. Und so kommt es, dass Braque (1882-1963) als „Mit-Erfinder“ des Kubismus gegenüber seinem Freund Pablo Picasso in den Hintergrund tritt.
Umso notwendiger ist nun die Ausstellung seiner Malereien und Collagen, die in der Kunstsammlung NRW am Grabbeplatz in Düsseldorf zu sehen ist. Sie konzentriert sich auf die Jahre von 1906 bis 1914, in denen Braque, ab 1907 im Austausch mit Picasso, diese Richtung der Avantgarde sukzessive entwickelte. Aus der Luft fiel der Kubismus nicht: Er reflektiert das neue Sehen, das mit dem technischen Fortschritt einher geht, etwa den Erfindungen des Autos und des Flugzeugs, den neuen Bildtechniken des Kinos und dem Hochhausbau mit dem Ergebnis, dass die Landschaft durch Stege geometrisiert ist und die visuellen Sensationen im raschen Tempo verschmelzen.
Nachdem schon der Impressionismus Pionierarbeit für das Sehen geleistet hatte, haben Braque und Picasso, ausgehend vom Fauvismus, innerhalb weniger Jahre in mehreren Schritten ihre Collagen und ihre Malerei verwirklicht. Die Düsseldorfer Ausstellung vollzieht diese Entwicklung noch mit Gemälden von Künstlern wie Matisse, André Derain oder Cézanne nach und begleitet sie mit Text- und Zeittafeln und Filmausschnitten dieser Pionierzeit. Spannend ist die Ausstellungsarchitektur, deren Wabenstruktur der Armory Show in New York 1913 entlehnt ist, bei der der Kubismus bekannt wurde. Und dann steht man plötzlich vor Braques kubistischen Meisterwerken: nur einigen wenigen Bildern, einfach weil es nicht viele gibt. Meist handelt es sich, gehüllt in Brauntöne, um Landschaften und Stillleben, die rhythmisiert, zerschnitten, als Konturen und Schatten versetzt und neu kombiniert sind und so eine Multiperspektivität und Simultaneität initiieren, zwischen denen Buchstaben, Flaschen, Fische oder Häuser oder Musikinstrumente auftauchen, und so radikal und aufregend das selbst heute noch wirkt: entstanden sind diese Bilder vor über einem Jahrhundert.
Georges Braque | bis 23.1. | K20 Kunstsammlung NRW in Düsseldorf | 0211 838 12 04
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Bäume und Linien
Piet Mondrian in Düsseldorf – Kunst in NRW 01/23
Himmel und Erde
„Lygia Pape – The Skin of All“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/22
Ein neuer Blick auf die Kunst
Eine „ex-zentrische Moderne“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/19
Aus der Ferne sehr nah
Andreas Gursky in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/16
Ganz still
Agnes Martin in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/16
Bilder mit Sprache
Joan Miró in Düsseldorf – Kunst in NRW 08/15
Meilensteine der Avantgarde
Günther Uecker in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/15
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Zeitgeschichte als Skulptur
Reinhard Mucha in der Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 11/22
Zügige Gesten auf den Punkt
Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 10/22
Antennen in die Zukunft
„The Camera of Disaster“ in Mönchengladbach – Kunst in NRW 09/22
Chiffren des Leidens, des Widerstands
Berlinde De Bruyckere im Arp Museum Rolandseck – Kunst in NRW 08/22
Farben hinter Glas
Karin Kneffel im Max Ernst Museum des LVR – Kunst in NRW 07/22
Fließende Formen
Isamu Noguchi im Museum Ludwig – Kunst in NRW 06/22
Menschen und Landschaft
Max Liebermann im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 04/22
Richter zu Ehren
Gerhard Richter im K21 und Museum Ludwig – Kunst in NRW 03/22
Skulptur in Bewegung
Hamberg und Pousttchi im Arp Museum – Kunst in NRW 02/22