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„Geld Macht Kunst“: Eine Kunstauktion bei Christie's
Bild: WDR / © Martina Müller

Geld fressen Kunst auf

19. Oktober 2016

Arte-Preview „Geld Macht Kunst“ an der KHM – Foyer 10/16

Dienstag, 14. Oktober: Arte und die Kölner Kunsthochschule für Medien präsentierten zum zwanzigsten Mal einen künstlerischen Dokumentarfilm vor seiner TV-Ausstrahlung. Am heutigen Mittwoch heißt es dann auf Arte in dem Film von Martina Müller: „Geld Macht Kunst“.

An einem regnerischen Oktoberabend begebe ich mich in die Aula. Zum Start des Wintersemesters führt der Rektor der KHM, Prof. Dr. Hans Ulrich Reck, mit einer Rede in den Abend ein. Er habe den Film bewusst noch nicht angeschaut und wolle sich überraschen lassen. Grundlage seiner Rede ist ein Artikel aus der „Zeit“ aus dem Jahr 2015, in dem es um das Sammelverhalten der Superreichen geht. Nicht nur Leonardo DiCaprio, auch die Tochter von Donald Trump sammelt Kunst, denn man möchte sich ja schließlich keine Goldbarren an die Wand hängen.

In seiner aufschlussreichen Rede geht es um die Kapitalisierung von Kunst, um interessante Sammlungen, die sich in zollfreien Zonen wie z.B. dem Genfer Flughafen befinden. Aber auch um museale Kunst. So sei „alles im Louvre Raubkunst“. Alles könne Raubkunst werden, und Schutzlisten könnten im Umkehrschluss zu Listen potentieller Angriffsziele werden. Und schon immer sind Kunstobjekte Objekte von Macht und Prestige.


Bild: © WDR/Arte/Martina Müller

Kunst als Investitionsobjekt

Als Andy Warhol einmal gefragt wurde, warum er diese schrecklichen, farbigen elektrischen Stühle produziere, antwortet er: „Weil sie gut zur Einrichtung passen.“ Sprich, sie verkaufen sich einfach gut. Picasso hatte das Ziel, mit 30 Jahren Millionär zu sein. So ist das liebe Geld der Kernpunkt der Dokumentation. „Es erstrahlen alle Mienen mit dem schönen Wort verdienen“, so sagt ein Plakat von Hans Peter Feldmann, einem deutschen Konzeptkünstler, der mit diesem über eine Kunstmesse geht. Denn die potentiellen Käufer fragen nicht so oft nach dem Werk an sich, sondern eher: „What it‘s gonna be in two years?“

Es stellen sich außerdem Fragen wie: Wie entstehen die Preise auf dem Kunstmarkt? Der Wert eines Objekts hängt von den Faktoren ab wie: Wie lange braucht der Künstler für sein Werk? Wie steht es um Angebot und Nachfrage –„Begehrlichkeit“, wie man die Nachfrage auf dem Kunstmarkt nennt? Lebst der Künstler noch, ist er zum Mythos geworden oder gibt es zumindest einen Hype? Und wie steigern die Kunstbesitzer den Wert ihrer Stücke? Was bedeutet es für die Besucher von Museen, wenn durch den Hype die Kunst vom Markt verschwindet? Wir bekommen Einblicke in ein System, in dem das Geld die Kunst frisst.

Als Aufhänger für ihre Dokumentation nimmt Martina Müller den Prozess um Kunstberater Helge Achenbach. Dieser frisierte die Preise vor dem Verkauf an seine Kunden, strich 20 Millionen ein und wurde zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt. Unter seinen Käufern befindet sich auch Babette Albrecht, die Witwe des verstorbenen Berthold Albrecht des Aldi-Imperiums. Auch sie hängt lieber Kunst als Aktien an die Wand. Manches bekannte Kunstwerk, wie einen Gerhard Richter, verkennt sie uncharmant, weil ihr ein Detail missfällt. Aber der Rahmen sei dann doch ganz nett!

Budgets, Preise und Auktionen

Und was können die Budgets der Museen leisten, wenn die Preise bei Christie‘s durch die Decke gehen und ein marktfrischer, jungfräulicher Modigliani für 170 Mio. Dollar unter den Hammer kommt. Auch die Versicherungswerte können steigen, und am Ende stehen die Museen eben dort, am Ende der Schlange an und haben keine große Auswahloption. Ein Privatmuseum wie das Fondation Louis Vuitton in Paris verbindet Luxus, Mode und Kunst in einem nicht immer unschuldigen Verhältnis miteinander. Alleine die Architektur des Gebäudes wirkt, wie eine delikate Verpackung für ein Luxusparfüm. Wird große Kunst zum Luxusgut?         

Wenn man Jeff Koons im Centre Pompidou aber auch bei H&M findet, stellt sich die Frage: Was ist Kunst? Was ist Luxus? Was ist Fetisch? Was kann weg? Sind es die in Bronze gegossenen Popel eines Künstlers? Oder ist alles ausgedachter, opportunistischer Quatsch?

In der anschließenden Diskussion gibt man sich positiv, aber auch kritisch. Ist denn nicht genau dieses öffentliche Fokussieren auf die horrenden Preise nicht gleichzeitig eine Werbung für genau diese Kunstmarktentwicklung? Eine Publikumsstimme sagt: „So, wie die Sopranos das Schlimmste für den Bürgermeister von Palermo waren, da durch die Serie ein verbrecherisches Verhalten gefeatured wird.“ Martina Müller war es wichtig, hinter die Kulissen zu blicken: „Solange der Film berührt, wunderbar!“

Überzeugen Sie sich selber, wenn „Geld Macht Kunst“ heute um 21.50 Uhr ausgestrahlt wird – oder in der Mediathek: www.arte.tv.

Marielena Wolff

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