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Sturtevant, Duchamp Fresh Widow, 1992-2012, Lackiertes Holz, Leder, Glas, 77 x 51,5 x 10,5 cm, 8 Editionen, Ausstellungsansicht Julia Stoschek Collection, Düsseldorf
© Sturtevant, Julia Stoschek Collection, courtesy Thaddaeus Ropac, Paris/Salzburg

Gegen den Takt

05. Mai 2014

Sturtevant bei Julia Stoschek in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/14

In Fachkreisen gilt das Werk von Sturtevant, die als Elaine Sturtevant 1930 in Ohio geboren wurde und seit Jahrzehnten in Paris lebt, als eines der radikalsten der zeitgenössischen Kunst. Es ist konzeptuell gesättigt, entschieden „verkopft“ und doch ausgesprochen sinnlich erfahrbar. Ihre Sache ist seit 1964 die „Aneignung“ oder „Wiederholung“ anderer Kunst – die Appropriation Art bzw. der Iterativismus –, wobei das ebenso stimmt, wie es zu kurz greift. Sturtevant wiederholt handwerklich präzise die Kunstwerke einzelner Zeitgenossen. Sie kopiert, aber sie erstellt Originale. Schon die Entscheidung dafür, welche Kunst sie – mit den Originalmaterialien im Maßstab 1:1 – sich vornimmt, ist Teil ihrer künstlerischen Arbeit. Da sind die Amerikaner Jasper Johns (z.B. mit seinen Flaggen), Stella, Warhol (der Sturtevant für ihre Reproduktionen den Sieb seiner Serigraphien schenkte); später Duchamp, Haring und Gozalez-Torres, Beuys (dessen „Fettstuhl“ sie vor versammelter Presse errichtet hat) und Anselm Kiefer (den sie um Erlaubnis für den Nachbau eines seiner Flieger gebeten hat). Kopien sind ihre Werke mitnichten, aber Sturtevant hinterfragt das Verhältnis von Original und Kopie und sucht mit ihren Werken nach der jeweiligen geistigen Struktur. Sie fragt nach der Aura des Kunstwerks und der Authentizität, nach der Rolle und Bedeutung ihres Schöpfers. Selbst hat sie immer betont, dass sie Kunst über Kunst mache und deren Wesen und Bedeutung nachspüre.

In Deutschland wurde ihre reflektorische Arbeit stets mit besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen. Ihre Ausstellung 1989 bei Paul Maenz in Köln war sozusagen der Startschuss für die Rezeption in Europa. Im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt/M. fand 2004 ihre erste umfassende Retrospektive statt. Und 2013 wurde sie im Sprengel Museum Hannover mit dem Kurt-Schwitters-Preis ausgezeichnet.

Grundsätzlich schließt Sturtevant kein Medium der Nachahmung aus. Selbst hat sie sich um 2000 zunehmend den Neuen Medien zugewandt, die ihr einen ganz anderen Zugriff als zuvor erlauben – und eine größere Freiheit. Bei der Julia Stoschek Collection in Düsseldorf sieht man dazu nun einen umfassenden Überblick. Die präsentierten Arbeiten kennzeichnet eine immense Vielfältigkeit der Mittel und der Anmutung. Aus der Wiederholung sind nun Zitate geworden, die man unterschiedlich deutlich erkennt. Am prägnantesten taucht hier eine Performance von Paul McCarthy auf. Eine eminente Rolle spielt die Faktizität des technischen Apparates, wobei Sturtevant alle erdenkbaren Weisen der Projektion und des Monitors verwendet. Letztlich staunen wir über die Vitalität und Vielschichtigkeit, auch über den subtilen Humor, der immer wieder durchscheint – und bleiben doch halbwegs ratlos zurück. Beruhigend ist schließlich nur eines: In einer Passage hängt Duchamps Relief „Fresh Widow“ achtmal nebeneinander, ununterscheidbar, aber schon in verschiedenen Jahren entstanden. Repetiert sich Sturtevant hier nicht eigentlich selbst? Hier lösen sich die Begriffe von Schöpfung und Nachahmung gänzlich auf. Was sich in den Werken der Neuen Medien nicht unbedingt erschließt: Hier gelingt es mit Nachdruck.

„Julia Stoschek Collection Number Eight: Sturtevant“ | 10.8. | Julia Stoschek Foundation, Düsseldorf | 0211 585 88 40

Thomas Hirsch

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