Unfälle und plötzliche private Katastrophen haben im Werk des deutschen Autorenfilmers Christian Petzold schon immer einen hohen Stellenwert eingenommen. Das gilt auch für seine neue Charakterstudie „Miroirs No. 3“ (Cinenova, Odeon, Weisshaus). Laura (Paula Beer) ist unglücklich bei einem Geschäftstermin ihres Freundes Jakob (Philip Froissant) und möchte zurück nach Berlin. Auf dem Weg zum Bahnhof verunglücken die beiden. Jakob stirbt und Laura kommt bei der alleinstehenden Betty (Barbara Auer) unter, die Zeugin des Unfalls war. Die beiden Frauen unterschiedlicher Generationen liegen schnell auf einer Wellenlänge und geben sich gegenseitig Halt, denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch Betty psychisch äußerst angeschlagen ist. Das wird spätestens dann deutlich, als die beiden Bettys Mann Richard (Matthias Brandt) und den gemeinsamen erwachsenen Sohn Max (Enno Trebs) zum Essen einladen. Unterschwellig wird hier schon deutlich, dass Betty einen großen persönlichen Verlust zu kompensieren versucht und Laura ideal in diese klaffende Lücke zu passen scheint. Petzolds neuer Film lebt von den durchweg exzellenten Darstellerleistungen seiner bewährten Mitstreiter, die in einer glaubwürdigen Natürlichkeit die Dialoge des Regisseurs zum Leben erwecken.
Immobilienbetrüger Thomas (Christoph Maria Herbst) erbt nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis ein Haus von nicht unerheblichem Wert von seiner Mutter, die ihn als Säugling weggegeben hat. Ärgerlich, dass sein bis dato unbekannter Halbbruder mit Down-Syndrom, Roland (Nicolas Randel), lebenslanges Wohnrecht hat, sonst könnte er mit dem Verkauf der Villa viel Geld verdienen. Thomas will ihn überlisten – bis er beginnt, Roland schätzen zu lernen. „Ganzer halber Bruder“ (Cinedom, Cineplex, UCI) von Hanno Olderdissen erzählt von den brüderlichen Annäherungen, ohne sich in der Tiefe mit seinen Charakteren oder dem Down-Syndrom auseinanderzusetzen. Die Geschichte ist vorhersehbar, aber unterhaltsam. Der Soundtrack wird vom Soul-Klassiker „Sunny“ dominiert – in gleich neun verschiedenen Varianten, und das durchaus charmant.
Außerdem neu in den Kinos: das Kunstdrama „Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes“ (Filmpalette) von Edgar Reitz, der surreale Genre-Mix „Kill the Jockey“ (Filmpalette, Bonner Kinemathek) von Luis Ortega, der Dokumentarfilm „Hannah Arendt – Denken ist gefährlich“ (Filmpalette) von Chana Gazit und Maia E. Harris, die filmische Wanderung „Fiore Mio“ (Odeon, am 17.9. mit dem Regisseur) von Paolo Cognetti und das Adels-Sequel „Downton Abbey: Das große Finale“ (Cinedom, Cineplex, Residenz, UCI) von Simon Curtis.
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