„Alcarràs - Die letzte Ernte“ (Cinenova, Filmpalette, Odeon, OmU in der Filmpalette und im OFF Broadway) erzählt von einer Familie. Der Familie Solé, die seit Generationen eine Pfirsichplantage in Katalonien bewirtschaftet. Der Großvater hatte das Grundstück dereinst per Handschlag vom Großgrundbesitzer zugesprochen bekommen. Jetzt meldet dessen Enkel Bedarf an – und der Handschlag gilt nicht mehr: Am Ende des Sommers werden die Pflanzen durch Solarpanels ersetzt. Vater Quimet (Jordi Pujol Dolcet) ist weder dazu in der Lage, den Umbruch anzuerkennen noch seinen Groll konstruktiv in Bahnen zu lenken. Mitten in der letzten Ernte bemüht sich seine Frau Dolores (Anna Otìn), die Wogen zu glätten. Teenie-Tochter Mariona (Xènia Roset) ist mit ihren Sehnsüchten ganz woanders, ihr großer Bruder Roger (Albert Bosch) pflanzt heimlich Hanf an, und die kleine Schwester Iris lebt jenseits der existenziellen Sorge im ungetrübten Kinderkosmos. Doch alles droht zu zerbrechen. Quimet ist launisch im verletzten Stolz und eckt mit Schwester und Schwager an, die erwägen, mit denen zu kooperieren, die der Familie die Existenzgrundlage rauben. Beim Dorffest bricht der Konflikt durch. Die Namen der Darsteller finden sich nicht in den Katalogen der Castingagenturen. Carla Simón, die 2017 mit ihrem Spielfilm-Debüt, dem Oscar-Anwärter „Fridas Sommer“, viele Preise und Lob einheimste, rekrutiert fast komplett Laiendarsteller. Die Autorenfilmerin stammt selbst aus einem katalanischen Dorf, auch ihre Familie baut dort Pfirsiche an. Vor gar nicht langer Zeit starb ihr Großvater, und der Regisseurin wurde die Fragilität gewahr – eines Lebens, einer Existenzgrundlage. Das Geflecht einer Großfamilie vor Augen, erzählt Simón sowohl vom großen Kuddelmuddel der gesamten Sippschaft und vermag zugleich, zärtlich und innig jedes einzelne Familienmitglied durch die Krise zu begleiten. Sei es am großen Tisch mit allen Beteiligten zum Festmahl oder im Schlafzimmer, wo der Großvater in einem magisch stillen Moment auf der Bettkante kauert.
Die Hauptdarsteller:innen Anna Otín und Jordi Pujol Dolcet sind am Dienstag, 9.8. um 19:30 Uhr zu Gast bei der OmU-Preview im Odeon, präsentiert von choices.
Friede, Freude, Felix und Frida. Der Zauber hält leider nur den Vorspann lang. Dann ist die Kita-Betreuerin in Laura Lehmus' „Sweet Disaster“ (Filmhaus) solo mit Embryo und der Flugkapitän zurück bei seiner Ex. Ein herber Schlag für die 40-jährige Frida (Friederike Kempter), die sich nicht nur mit den Risiken einer späten Geburt konfrontiert sieht, sondern auch mit einer Zukunft als Alleinerziehende. In ihrer Verzweiflung beginnt sie Felix (Florian Lukas) mit Hilfe der Drohnen ihrer Technik-begabten Nachbarin zu stalken. Bis sie erkennt, dass es in ihrer Umgebung auch noch andere Menschen mit Sorgen gibt und sie beginnt, sich auf diese zu konzentrieren. Klingt nach Depri-Stoff, wird aber leicht und bunt und beschwingt dargeboten. Ein bisschen Sesamstraße, ein bisschen fabelhafte Amélie.
Regisseurin Laura Lahmus ist am Donnerstag, 11.8. um 19:30 Uhr zu Gast im Filmhaus.
Der Norden Schottlands: Vor kurzem ist Toms (Timothy Spall, „Mr. Turner – Meister des Lichts“) Frau gestorben. Jetzt beschließt der 90-jährige Kauz mitsamt ihrer Asche nach Südengland zu reisen, wo sich das Paar zum ersten Mal begegnet ist. Weil es nichts kostet, nimmt er den Bus, wo er auf 1300 Kilometern allerlei Mitreisenden begegnet. Gillies MacKinnon gelingt mit „Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr“ (Rex am Ring, Weisshaus, OmU im Metropolis und in der Bonner Kinemathek) ein schrulliges, tragikomisches Roadmovie.
Außerdem neu in den Kinos: Diana El Jeiroudis filmischer Essay „Republic of Silence“ (OmU im Filmhaus, am 12.8. mit der Regisseurin), Jordan Peeles neuer Gruseler „Nope“ (Autokino Porz, Cinedom, Cineplex, Rex am Ring, UCI, OmU im Cinenova, in den Lichtspielen Kalk, im Metropolis und OFF Broadway, OV im Cinedom, Cinenova, Cineplex und Rex am Ring), Isabelle Stevers verhängnisvolle Romanze „Grand Jeté“ und Mike Marzuks Westernabenteuer „Der junge Häuptling Winnetou“ (Cinedom, Cineplex, Metropolis, Rex am Ring, UCI).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Die Chefin ist ein Alien
Die Filmstarts der Woche
Herren des Krieges
Teil 1: Leitartikel – Warum Frieden eine Nebensache ist
Von der Aufgabe des Denkens
Audiowalk „Jeder stirbt für sich allein“ in Köln – Auftritt 11/25
Auf Identitätssuche
Die 17. Ausgabe des Filmfestivals Cinescuela in Bonn – Festival 11/25
Motor mit edlem Klang
Dave Holland in der Essener Philharmonie – Improvisierte Musik in NRW 11/25
Briefe aus der Türkei
6. Festival der Solidarität in Köln – Spezial 10/25
Utopie auf dem Rückzug
Bertha von Suttners „Die Waffen nieder“ am Theater Bonn – Prolog 10/25
Gegen sich selbst antreten
„Fünf Minuten Stille“ am Kölner FWT – Theater am Rhein 10/25
Unermüdliches Engagement für den Schnitt
„Kammerflimmern“ im Filmhaus – Foyer 10/25
Mut zum Nein
„Nein ist ein wichtiges Wort“ von Bharti Singh – Vorlesung 10/25
Grau-Weißer Farbenrausch
Steffen Lenk in der Galerie Anke Schmidt – Galerie 10/25
„Es geht darum, Verbindung herzustellen und zu fühlen“
Zwei Fragen an Filmemacherin Laura Heinig – Portrait 10/25
Nicht mehr wegzudenken
Das Wuppertaler Jazzmeeting 2025 – Musik 10/25
Eine Rose am Revers
Jerry Leger im 674FM Konzertraum – Musik 10/25
„Die wichtigste Strategie: nicht aufgeben“
Zwei Fragen an Filmemacherin Lenia Friedrich – Portrait 10/25
Der Mensch hinter der Legende
choices Preview im Odeon Kino – Foyer 10/25
Kindheitserinnerungen
„Geheimnis“ von Monika Helfer und Linus Baumschlager – Vorlesung 10/25
„Für mein Debüt bündle ich im Moment alle Kräfte“
Zwei Fragen an Filmemacherin Kim Lea Sakkal – Portrait 10/25
Offene Erwartungen
Das „Rheingold“ an der Oper Köln – Oper in NRW 10/25
Angenehm falsch
„Wiener Blut“ am Essener Aalto-Theater – Oper in NRW 10/25
Schritt für Schritt zum Schnitt
25. Edimotion-Festival für Filmschnitt und Montagekunst in Köln – Festival 10/25
Preisträgern auf den Zahn fühlen
Artist Talks des Film Festival Cologne im Filmpalast - Foyer 10/25
„Ich wollte mich auf eine Suche nach Kafka begeben“
Regisseurin Agnieszka Holland über „Franz K.“ – Gespräch zum Film 10/25
Das Konzept der Fotografie
Bernd und Hilla Becher in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 10/25
Im Rausch der unerhörten Klänge
Beyond Dragons im Stadtgarten – Musik 10/25