Bei dem gerade pensionierten Schuldirektor Hans und seiner Frau Rita, einer Pflegerin, die ihm bald in den Ruhestand folgen wird, stehen die Chancen für einen zweiten oder dritten Frühling schlecht. Während Hans noch einen Rest Lebenslust in sich trägt, wie eine angedeutete Affäre mit seiner Nachfolgerin vermuten lässt, gibt sich Rita ganz ihrer Verbitterung („Ich bin gerne alleine“) und ihren Zwängen hin. Eine wunderbare Szene, die in ihrem skurrilen Humor ein wenig an Loriot erinnert, bringt ihr verqueres Verhältnis auf den Punkt: Als sie in einem Geschäft Badezimmerkacheln kaufen, nerven sie den Verkäufer mit ihrem nichtigen Streit-Geplänkel: „Meine Frau hasst es, wenn ich Kekse neben ihr kaue“, gibt Hans unvermittelt zum Besten und schiebt sich einen zwischen die Zähne. Rita hingegen hat nichts Besseres zu tun, als den Verkäufer auf seinen schlechtsitzenden Anzug hinzuweisen. Dann plötzlich verlässt Neele Leana Vollmars „Dann passiert das Leben“ (Cinenova, Odeon, Residenz, Rex, UCI) die Szenen einer lustlosen Ehe und wartet mit einem Twist auf, der den routinierten und festgefahrenen Alltag der beiden Hauptfiguren erschüttert – und auch hinsichtlich ihrer Beziehung Auswirkungen hat. Wunderbar finden Anke Engelke und Ulrich Tukur die Balance zwischen feinsinnigem Humor und der Kunst, ihre Figuren so menschlich wirken zu lassen, dass man jene Empathie empfindet, die Hans und Rita sich selbst nicht gegenseitig zugestehen – und dass man sie am liebsten selbst in den Arm nehmen würde.
Der Technologieexperte Armando (Wagner Moura) muss 1977 untertauchen und kehrt in seine Geburtsstadt Recife zurück. Dort kommt er im Haus der resoluten Dona Sebastiana (Tânia Maria) unter, die etlichen „Flüchtigen“ Unterschlupf gewährt. Unter falschem Namen bekommt er einen Job auf einem Amt, freut sich darüber hinaus, endlich seinem kleinen Sohn Fernando wieder näher zu sein, der nach dem Tod der Mutter bei deren Eltern aufwächst. Aber der zwielichtige Ghirotti (Luciano Chirolli) hat mit Armando noch eine Rechnung offen und setzt zwei Auftragskiller darauf an, diesen ausfindig zu machen und aus dem Weg zu räumen. Der Brasilianer Kleber Mendonça Filho war zunächst Journalist und Filmkritiker, ehe er sich in den 1990er Jahren auf seine Karriere als Filmemacher zu konzentrieren begann. „The Secret Agent“ (Cinenova, Filmpalette, Metropolis, Rex, Bonner Kinemathek) ist nun sicherlich sein ambitioniertestes Werk, ein elegisches Porträt des Brasiliens in den späten 1970er Jahren, in der Hauptrolle mit Wagner Moura („Narcos“) prominent und publikumswirksam besetzt, und beim diesjährigen Filmfestival in Cannes gleich vierfach prämiert, u.a. für die beste Regie und den besten Hauptdarsteller.
„Fargo“ von den Coen-Brüdern lässt grüßen: Kurz vor Weihnachten wird in den Jura-Bergen ein Bär gesichtet, der eine Kette von immer absurder werdenden Ereignissen auslöst. Plötzlich stapeln sich in einer verschlafenen Kleinstadt die Leichen von Gangstern, Schleusern, Drogenhändlern und falschen Polizisten. Illegale Migranten stellen sich, eine riesige Menge Kokain und ein enormer Geldbetrag tauchen ebenfalls auf. Und das nette Ehepaar Cathy (Laure Calamy) und Michel (Franck Dubosc) haben dabei ungewollt ihre Finger im Spiel – eine harte Herausforderung für Polizeichef Roland (Benoît Poelvoorde) und sein Team. In seinem dritten Regiewerk „How To Make a Killing“ (Cinedom, Cinenova, Cineplex, Odeon, Rex, UCI) liefert Dubosc (der neben seiner Hauptrolle auch das Drehbuch schrieb) eine erstklassige schwarze Komödie mit spitzen Dialogen und immer neuen Plotwendungen.
Die Taylors scheinen eine perfekt harmonierende Familie zu sein: Gerade feiern Mutter Ellen (Diane Lane), eine Universitätsprofessorin, und Vater Paul (Kyle Chandler), ein Restaurantbesitzer, ihre Silberhochzeit im Kreise ihrer Lieben. Dann tritt Liz (Phoebe Dynevor), die Freundin von Sohn Josh (Dylan O’Brien), auf den Plan, die vor Jahren mit einer radikalen Abschlussarbeit für Aufsehen sorgte - und sich nun immer mehr in die Familie arbeitet. Der polnische Regisseur Jan Komasa hat in seinem zweiten englischsprachigen Film „The Change“ (Cinedom, Metropolis, Odeon, OFF Broadway, UCI) ein Thema aufgegriffen, das nur minimal dystopisch ist, zum Großteil aber die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen widerspiegelt. Komasa und seine Drehbuchautorin Lori Rosene-Gambino zeigen uns das gespaltene Amerika am Beispiel einer typischen Familie auf, die quasi zum Epizentrum der geschilderten Umwälzungen wird. Die Gesamtgesellschaft kommt lediglich in kleinen Einsprengseln am Rande vor, was in ihrer Intensität die Dramatik aber weiter steigert.
Außerdem neu in den Kinos: die gelungene Neuverfilmung „Der Mann, der immer kleiner wurde“ (Cinedom, UCI) von Jan Kounen, die etwas andere Gewinnergeschichte „No One Will Know“ von Vincent Maël Cardona, der Film-im-Film-Verschwörungsthriller „Hysteria“ (Filmpalette, Lichtspiele Kalk, Rex, am 12.11. in der Filmpalette mit Regisseur Mehmet Akif Büyükatalay), der Sci-Fi-Actioner „Predator: Badlands“ (Cinedom, Cineplex, UCI) von Dan Trachtenberg, der Pärchen-Horror „Bone Lake“ (Cinedom, Rex, UCI) von Mercedes Bryce Morgan und das Familienabenteuer „Mission: Mäusejagd“ (Cinedom, Cinenova, UCI) von Henrik Martin Dahlsbakke.
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