Detroit
USA 2017, Laufzeit: 143 Min., FSK 12
Regie: Kathryn Bigelow
Darsteller: John Boyega, Will Poulter, Algee Smith
>> www.detroit-film.de/
Brandaktueller Blick auf 50 Jahre zurückliegende rassistische Morde
Willkür und Hilflosigkeit
„Detroit“ von Kathryn Bigelow
Kathryn Bigelow ist von den bislang rund 90 mit einem Oscar geehrten Regisseuren die einzige Frau. Und sie ist eine der wenigen Regisseurinnen, die für ihre Actionfilme bekannt ist. Aber nicht nur das macht sie zu einer Ausnahmeerscheinung in Hollywood und insgesamt im Filmbusiness. Es sind auch ihre Filme, die sich zunehmend einer Einordnung entziehen. Waren schon die frühen Action-Erfolge „Near Dark“, „Blue Steel“, „Gefährliche Brandung“ und „Strange Days“ aus den 80er und 90er Jahren immer etwas eigentümlich, hat sie ab 2009 mit deutlich politischeren Filmen wie „The Hurt Locker“ und „Zero Dark Thirty“ kontroverse künstlerische Erfolge gefeiert. Nun wagt sich Bigelow an einen zwar historischen Stoff, könnte mit ihrem Thema aber kaum aktueller sein als in ihren beiden vorangegangenen Filmen über US-amerikanische Aktionen in der arabischen Welt nach 9/11. Sie widmet sich den fünf Tage andauernden Rassenunruhen im Sommer 1967 in Detroit.
Was in den ersten Minuten wie ein gut ausgestatteter Historienfilm wirkt, wenn mit einem Polizeieinsatz in einer illegalen Bar der Ausgangspunkt der Riots skizziert wird, geht schnell über in ein dokumentarisch anmutendes Kaleidoskop eines sich langsam ausbreitenden Strohfeuers: Bigelow zeigt Straßenszenen mit ziellosen Plünderungen und zielgerichteter Agitation schwar zer Führer. Sie zeigt besonnenes Einschreiten der Polizei ebenso wie rassistisch motivierte Übergriffe. Aber „Detroit“ nimmt uns nicht Hollywood-mäßig an die Hand und erklärt die Hintergründe, führt Figuren ein und gibt uns Gelegenheit für Einfühlung. Es sind Momentaufnahmen mit ständig wech selnden, namenlosen Protagonisten ohne Backstory, die im Minutentakt wie bei einem Staffellauf wechseln, während der allgemeine Level an Be dro hung und Gewalt langsam zunimmt. Erst spät filtern sich aus dieser Collage, in die auch einzelne historische Filmauf nahmen eingewoben sind, doch noch Figuren heraus, die dann in einem zweiten Teil, der sich auf historisch belegte Ereignisse im Algiers Motel konzentriert, aufeinandertreffen: Ein Soul-Quintett, ein Wachmann, zwei weiße Mädchen und ein paar Polizisten kollidieren in einem von Schwarzen geführten Motel. Die Polizei vermutet dort einen Scharfschützen und geht nun rabiat mit den Hotel insassen um. Am Ende gibt es mehrere Verletzte und drei Tote. In einem dritten Teil rekonstruiert der Film den Prozess gegen die angeklagten Polizisten, die am Ende allesamt freigesprochen werden.
Kathryn Bigelows Triptychon irritiert zunächst. Die Erzählweise ist mit den Perspektivwechseln und stilistischen Brüchen sehr unkonventionell, auch wenn das beim Zuschauen zunächst gar nicht so offensichtlich ist. Bigelow entfaltet zunächst eine allgemeine Stimmungslage, die sie kaum mit Fakten unterfüttert. Dann führt sie einen scheinbaren Einzelfall rassistischer Willkür vor, die von der Staatsmacht ausgeht. Und schließ lich zeigt sie im dritten Teil, wie der scheinbar individuelle Rassismus von Einzeltätern administrativ gestützt wird. In der Summe liefert sie damit keine Analyse, sondern ein Abbild des Rassismus in den USA. Vor allem im klaustrophobischen Mittelteil ist dieses Bild nur schwer zu ertragen: Bigelow zeigt zwar auch die Willkür und Brutalität der sich über legen fühlenden weißen Polizisten. Aber die Brutalität ist eher Mittel zum Zweck. Denn vor allem verpflichtet sie sich in ihrer Inszenierung der empathischen Darstellung von Hilflosigkeit. Man könnte diesen Mittelteil als ein klassisches „Home Invasion“-Movie unter neuen Vorzeichen sehen. „Home Invasion“-Klassiker wie „Cape Fear“ oder „Death Wish“ zeigen, wie das Böse in Gestalt Krimineller die amerikanische Gesellschaft in ihrem Herzen – der unschuldigen Familie in ihrem Eigenheim – trifft. Die wehrt sich erfolgreich, verliert im Kampf aber ihre eigene Unschuld. Bei Bigelow sind nun die Polizei und die dahinter stehenden Institutionen die aggressiven Invasoren. Eine Erlösung gibt es nicht. Weder vor 50 Jahren, noch heute.
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