Der Stern von Indien
Großbritannien, Indien 2017, Laufzeit: 107 Min., FSK 6
Regie: Gurinder Chadha
Darsteller: Hugh Bonneville, Gillian Anderson, Manish Dayal
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Historisches Drama
Teile und regiere!
„Der Stern von Indien“ von Gurinder Chadha
1947 steht Indien vor einer historischen Entscheidung: Nach knapp 200-jähriger britischer Kolonialherrschaft soll das Land in seine Unabhängigkeit entlassen werden. Aus England reisen Lord Mountbatten (Hugh Bonneville) und seine Frau Edwina (Gillian Anderson) an. Mountbatten soll das Land als letzter Vizekönig durch den politisch-historischen Wechsel begleiten. Muslime, Hindus und Sikh erheben gleichermaßen territoriale Ansprüche. Ein gemeinsames Miteinander der unterschiedlichen religiösen Parteien scheint rasch verworfen, stattdessen bahnt sich eine Teilung Indiens an, aus dem der neue, säkulare Muslim-Staat Pakistan hervorgehen soll. Die einsetzende Flüchtlingswelle mündet in gewaltsamen, bürgerkriegsähnlichen Unruhen, in deren Verlauf Hunderttausende sterben.
Der indischstämmigen, britischen Regisseurin Gurinder Chadha („Kick It Like Beckham“, „Liebe lieber indisch“) gelingt ein Drama, das die Geschehnisse anschaulich und berührend nachvollzieht. Das gelingt zum einen, indem sie die aufreibenden diplomatischen Verhandlungen der politischen Vertreter darstellt. Angereichert von zum Teil charmant nachgestellten Wochenschauclips, offenbart sie die Ziele der beteiligten Parteien. Lediglich Mahatma Gandhi (Neeraj Kabi) wird dabei arg formelhaft auf Floskeln rund um Einheit und die Liebe reduziert – „Man kann ein Herz nicht teilen“ – ansonsten vermittelt sich anschaulich die Brisanz der zermürbenden Entscheidungsfindung, in der die Muslimliga für einen eigenen Staat kämpft, während das scheidende britische Imperium noch schnell dafür sorgt, dass eigene Wirtschafts- und Weltmachtsinteressen weiterhin gewahrt bleiben. Von den Auswirkungen dieses taktischen, komplexen Polit-Spiels auf die Bevölkerung erzählt Chadha über die Liebesgeschichte des Hindus Jeet (Manish Dayal) und der Muslima Aalia (Huma Qureshi), die beide am Hofe des Vizekanzlers arbeiten und deren Liebe an der religiösen Fehde zu scheitern droht.
So vollzieht Chadha den Verlust von Heimat und Identität nach, vermeidet es aber dabei, in Ernsthaftigkeit zu ertrinken. Das gipfelt auch mal in Bollywood-Dramaturgie, insgesamt aber bleibt der Grundton dieses Liebesdramas dankbar lebensnah. Vor allem in seinem ersten Drittel gestaltet sich ihr Drama leichthändig und humorvoll, wenn es den Einzug des modernen Vizekönigspaar in den kolonialistisch angestaubten Hofstaat begleitet. Hugh Bonneville („Downton Abbey“, „Paddington“) und Gillian Anderson („Akte X“) brillieren darin als britisch angesnobtes, aber engagiertes und volksnahes Paar.
„Geschichte wird von den Siegern geschrieben“, heißt es hier gleich zu Beginn. In diesem Fall wird Geschichte von einer indisch-britischen Filmemacherin geschrieben, die sich künstlerische Freiheiten erlaubt, um gehaltvoll und bewegend von einer dramatischen geschichtlichen Umwälzung zu erzählen – und die damit die Essenz des historischen Erzählkinos recht souverän umsetzt.
(Hartmut Ernst)
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