Hans Martin Müller hat das Bundesverdienstkreuz erhalten, ein Querflötenspieler aus Moers, der am Niederrhein die Weichen auf Improvisierte Musik gestellt bekam. Er landete später selbst als Querflötist in der Klassik, Romantik und Moderne der E-Musik im WDR Sinfonieorchester, eine angesehene und gut dotierte Stelle, die erst vor kurzem auslief. Müller: „Die würde ich heute nicht mehr bekommen", sagt der ehemalige Dozent der Musikhochschule, ein Realist, der damit auf die enormen Fortschritte bei den heutigen Ansprüchen an junge Orchestersolisten anspielt. Er selbst ist ein exzellenter Techniklehrer, und er besitzt einen guten Draht zu Menschen.
Den, gepaart mit Geduld, Nerven, Arbeitskraft, Organisationstalent und dem nötigen Kleingeld, benötigte Müller in der preiswürdigen Geschichte seines Lofts, einem nach 25 Jahren etablierten Konzertraum in Köln-Ehrenfeld, angesiedelt in einer ehemaligen Parfümfabrik, heute perfekt nach allen Auflagen gesichert und als Tonstudio in der ganzen Welt berühmt. Allein die technischen Möglichkeiten und die Existenz bester Konzertflügel ließ das Loft zur künstlerischen Heimat vieler Musiker werden. Im März – diesen Anschein erweckt das Programm – feiert Müller sich und seine Bühne mit einem bunten Wahnsinnsprogramm, mit internationalen Stars und unterschiedlichsten Musiken – ein Festival zeitgenössischer Klänge und Künstlerpersönlichkeiten.
Nach diversen Examens-Abschlusskonzerten – immer brandneue Musik meist von jungen Jazzern – erscheint das einzig existierende Bass-Saxophon-Quartett des Universums, genannt „Deep Schrott", ein „unglaubliches Kollektivunikat" mit klingendem Tiefgang. Allein zwei Mafiosi aus Köln mischen dabei mit – reife Herren mit riesigen Hörnern. Kurz darauf gastiert der jüdische Saxophonist Ohad Talmor aus New York im Loft, u.a. mit der Schlagzeug-Legende Adam Nussbaum in einem Konzert zum Thema „Ankommen", dem Motto der jüdischen Kulturtage.
Mit Simon Nabatov kehrt einer der erwähnten Stammgäste ein, ein herausragender Improvisator am Flügel mit den Weihen der russischen Schule. Seine Neugier stillt er im Gespräch mit dem Bratscher Gareth Lubbe, der zudem den Obertongesang pflegt. Nostalgie beschwört ein weiterer Sohn aus Müllers guter Stube, der Wahlschweizer und Posaunist Nils Wogram mit Schlagzeuger und Hammondorgel. Freie Improvisation beschert die aktuelle Großton-Posaunistin der WDR Big Band, die Australierin Shannon Barnett. Das Quartett spielt an diesem Abend zum ersten Mal gemeinsam oder gegeneinander – große Spannung diesmal auch auf Seite der Musiker. Zu guter Letzt erscheint die Inkarnation der Freien Musik, der Guru Gunter Hampel. 1969 gründete er sein Label, um ein Konzert mit Anthony Braxton, Willem Breuker und Jeanne Lee aufzunehmen. Heute vertreibt er mehr als 200 eigene Tonträger.
Als Ehrengast schaut zudem der prominente Posaunist Jiggs Wigham für ein Konzert vorbei, er präsentiert sich mit Big Band. Und der WDR Preisträger Nicolas Simion jazzt Folklore light: „Tarantella Facile" nennt er sein hochkarätig besetztes neues Projekt.
Info: www.loftkoeln.de
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