Die amerikanische Westküste ist der Schmelztiegel und zugleich Ideengeber der internationalen Unterhaltungsindustrie. Um L.A. herum ist die größte Dichte an kreativen Filmemachern bemüht, den Filmgeschmack immer größer werdender Auswertungsterritorien zu treffen und mit immer neuen, aber auch aufgewärmten Ideen Geld zu verdienen. Jeder Blockbuster, der was auf sich hält, steckt in der gleichen Größenordnung wie das Produktionsbudget auch Geld in die Vermarktung. Lange bevor der Film wirklich in die Kinos kommt, bedient sich die Filmbranche der Technologien aus dem nördlich gelegenen San Francisco, zu dessen Einzugsbereich das Silicon Valley gehört. Die dort entwickelten Technologien werden zunehmend zur wichtigsten Stimulanz des Publikums. YouTube, Facebook, Twitter, Fanforen, Blogs u. ä. werden von den Marketingexperten intensiv genutzt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Disney, die für „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ verantwortlich zeichnen, nachdem sie George Lucas sein Unternehmen abgekauft haben, bedienen die Fans mit allerkleinsten Häppchen für den im Dezember startenden Film. Für die genau geplante, teilweise als gezielte Indiskretionen daherkommende Informationsstrategie genügen schon kleinste Schnipsel, um die Fans auf das große Ereignis vorzubereiten. Ein handgeschriebener Zettel kündigte erste Bilder aus dem Werk an, und ein winziger Teaser wurde mindestens 70 Millionen Mal auf YouTube abgerufen. Mit der Kraft von Fans und Foren wurde eine mediale Maschinerie in Gang gesetzt, die mit teilen, liken und empfehlen von den Fachleuten „To eventize“ als die neue Marketingmasche bezeichnet wird. Es ist wie ein Schneeball, der aus Hollywood geworfen wird und durch die Einbindung des Publikums (Involvement) zur Marketinglawine wird. Beim neuen James Bond, dem 24., wird ähnlich verfahren. Hier ein Foto von den Dreharbeiten, dort eine Besetzungsinformation, stets sind es kleinste Häppchen, die den Appetit auf hohem Niveau halten sollen. Dieses Jahr wird es besonders viele davon geben, neben „Star Wars“ und Bond gibt es Fortsetzungen u.a. von „Jurassic Park“, den Minions (aus „Ich – Einfach unverbesserlich“), „Fack Ju Göhte“ und „Tribute von Panem“.
Doch das funktioniert nicht nur bei bekannten und teilweise Jahrzehnte alten Franchises, wo Genre oder Story allein für die Neugier ausreichen. Zwar gibt es keinen wirklichen Beweis für eine Strategie, würde er allerdings vorliegen, wäre es ein großer Coup. Denn „The Interview“, die wahrscheinlich filmisch mediokre Satire über ein Attentat auf den nordkoreanischen Imperator, aufgrund eines angekündigten Vergeltungsschlags erst nicht zeigen zu wollen, um sie dann mit der Rückendeckung des US-Präsidenten doch ins Kino zu bringen, dürfte dem Film eine Bekanntheit in nicht planbarem Ausmaß gegeben haben.
Sind die ersten Trailer dann verfügbar, sind anhand der Abrufzahlen bereits erste Indizien für den Erfolg messbar. So war der Trailer des Soft-SM-Films „50 Shades of Grey“ der Top-Performer der vergangenen Wochen. Ein frühzeitiger Vorverkauf führte dann auch dazu, dass selbst in Kleinstädten der deutschen Provinz in den ersten Stunden weit über 1000 Tickets verkauft wurden. Bleibt nur zu hoffen, dass angesichts der Flut von Ankündigungen, Halbwahrheiten und erkennbar falschen Werbeversprechen die Lust, den Film zu sehen nicht wieder abhandenkommt. Denn während die Schnitzeljagd vor allem im Netz erfolgt, sollte der Verzehr im Kino stattfinden.
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