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Die Verkehrszentrale NRW in Leverkusen ist jetzt wieder einzige Leitstelle für den überregionalen Verkehr im Lande und hat die Reste des "Ruhrpiloten" aufgenommen.
Foto: mbwsv.nrw

„Das konnte so nicht gutgehen“

27. März 2014

Trial and error: Nach zehn Jahren ist der „Ruhrpilot“ beendet worden – Innovation 04/14

Das Wortspiel ist ja so verführerisch: von der „Bruchlandung“, die der „Ruhrpilot“ hingelegt hätte. Vor allem, weil das vor zehn Jahren gestartete Verkehrsleitsystem – eine echte Innovation an Rhein und Ruhr – nicht nur keine Zukunft mehr hat, sondern zum Jahreswechsel schlicht eingestellt worden ist. Ganz „stickum“, wie man in diesen Breiten zu sagen pflegt. Ein 34-Millionen-Euro-Versuch, der mit „Error“ endete. Der hinterlassene Nutzen ist überschaubar.

Ohne Stau durchs Ruhrgebiet? „Der Traum kann wahr werden“, hat Benno Hense anfangs noch rosig an die Wand gemalt. Also: Flott und stressfrei von A nach B zu kommen, mal mit der S-Bahn, mal mit dem Pkw, mal auch morgens eine halbe Stunde früher startend als noch am Abend geplant. Ein dichtes Netz aus Messstellen und Sensoren sollte den „Ruhrpiloten“ beflügeln. Und der Großteil der laufenden Kosten, so hoffte sein Geschäftsführer Hense, sollte über die Vermarktung der Daten wieder eingespielt werden.

Die Ruhrpilot-Technik liefert noch Daten, doch vermarktbar waren sie nicht. Foto: Tom Jost

Damals, 2001/2: In der Landesregierung zofften sich SPD und Grüne über Verkehrspolitik und beispielsweise die Frage, ob man die A 40 denn unbedingt dreistreifig ausbauen und zudem den Bochumer Stadtring zur Autobahn aufwerten müsse. Da kam ein intelligentes Telematik-System für beide Seiten als Beschwichtigung wie gerufen. Autobahnausbau ja – aber nur unter Nutzung aller sonstigen Beschleunigungsmöglichkeiten. Angesiedelt wurde die Idee bei der „Projekt Ruhr GmbH“, die im weiteren Verlauf damit auffiel, dass sie gern sinnfrei Geld ausgab, zuweilen recht hemdsärmelig. Dafür war Projekt-Ruhr-Geschäftsführer Hanns Ludwig Brauser ein Buddy des Ministerpräsidenten Wolfgang Clement.

Zumindest der Start lief noch passabel an. Rechtzeitig zur Fußball-WM 2006 war das Kern-Revier mit mehr als 600 Radar-Detektoren ausgerüstet, die seitdem an neuralgischen Punkten die Verkehrsbelastung erfassen und sogar zwischen Pkw und Lkw unterscheiden. „Diese neuen Strukturen dienten beispielsweise dazu, in den Städten grüne Wellen schalten zu können“ sagt René Usath. Der Leiter des Referates „Verkehrslenkung und Telematik“ im NRW-Verkehrsministerium verweist darauf, dass Kommunen wie etwa Gelsenkirchen „bis dahin bloß mit einem uralten Möhrchen als Verkehrsrechner arbeiten konnten. Seitdem sind die Strukturen auf dem adäquaten Stand von Köln oder Düsseldorf.“

Was aber nicht viel half, bloggte Stefan Laurin von den „Ruhrbaronen“. Der „Ruhrpilot“ sei sofort wieder zusammengebrochen: „Und das, obwohl damals nur die Verkehrslage weniger Revierstädte erfasst wurde. Das mit Vorschusslorbeeren bedachte Projekt hatte den Ansturm der interessierten Besucher unterschätzt.“ Vier Jahre später wurde die Public-Private-Partnership mit Siemens beendet, auch, weil das Internet-Portal bei der Fahrstreckenplanung kaum noch genutzt wurde, um sich über die Verkehrslage zu informieren. Laurin in seiner Zwischenbilanz: „Im Alexa-Ranking, einer Hitparade der größten Internetseiten der Welt, rangiert der Ruhrpilot irgendwo um Rang 25.000.000. Die Webseiten vieler Kindergärten werden öfter abgerufen.“

Der Misserfolg hat zwei Seiten. „Wir sollten etwas zuliefern, damit die Privaten etwas vermarkten konnten“ resümiert Usath. „Es war ein schräges Modell mit schlechten Verträgen – das konnte so nicht gutgehen.“ Folglich stieg Siemens Ende 2010 aus. Die Frage ist, ob der Ruhrpilot überhaupt Interessantes zur Vermarktung anzubieten hatte. Denn die Betreiber der Navigationssysteme bedienen sich längst aus anderen Datenquellen. In die Verkehrslage, etwa bei TomTom, fließen neben den Informationen des Traffic Message Channel (also von Polizei und Verkehrsclubs) auch Bewegungsdaten ein, die TomTom dem Vernehmen nach über Vodaphone bezieht. Und das sind Millionen von Mobiltelefonen. Zudem gibt es inzwischen Hunderttausende von Fahrzeugen und noch mehr User von „Go-live“-Navis, die nicht nur den Verkehrsdienst empfangen, sondern ebenfalls Standortmeldungen senden. Mit den Niederländern habe es auch keine Einigung darüber geben können, dass man Innenstadtrouten, die Kindergärten oder sensible Wohngebiete berühren, aus den Umleitungsstrecken heraushalten wollte, klagte Ruhrpilot-Geschäftsführer Benno Hense zwischenzeitlich: „Die weigern sich einfach, darüber zu reden.“

Was vom Ruhrpiloten übrig blieb – oder besser: was ihm folgen soll – ist das neue Portal „verkehr.nrw“ – derzeit noch als Testversion im Netz. Wie der „Pilot“ errechnet es für die Strecke von A nach B die aktuellen Reisezeiten von Auto, ÖPNV und Rad, zeigt Störungen an und soll irgendwann auch via App auf dem Smartphone verfügbar sein. „Wenn der VRR die aktuellen Daten liefert, können wir damit auch die Zuverlässigkeit der ÖPNV-Anschlüsse darstellen“, hofft René Usath. Freilich krankt auch dieses Portal an einer schlecht zu lösenden Systemfrage: Hat sich der Revier-Reisende aufgrund von Staumeldungen auf seiner gedachten Strecke – etwa zum Kulturtempel – für die Bahn entschieden, heißt dies noch lange nicht, dass der Vorteil auch für den Rückweg am Abend gilt. „Deswegen ist das aber nicht per se sinnlos“, meint Usath: „Der Autofahrer erhält einen Blick auf die möglichen Alternativen. Die kann man dann ja einfach mal ausprobieren.“

TOM JOST

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