Ein Paar zickt sich an. Die Reise im Auto war anstrengend, die Nerven liegen blank, doch der Wille zur Versöhnung ist da. Während er spült, will sie schnell Abendessen besorgen – doch sie kommt nicht zurück. Dafür startet sein Kopfkino: Was könnte passiert sein? Als er loszieht, um sie zu suchen, kommt sie heim – und nun geht ihr Kopfkino an. Dazwischen schieben sich die Erinnerungen an ihre gemeinsame Reiselektüre über eine Totgeburt. Jordan Crane präsentiert mit „Zwei bleiben“ ein tragisches Psychodrama auf mehreren Erzählebenen, das einem sowohl dramaturgisch als auch zeichnerisch den Atem raubt (Suhrkamp). Wesentlich gelassener geht es Étienne Davodeau in „Das Recht der Erde“ an. Fasziniert von den Höhlenmalereien in Pech Merle wandert er bis nach Bure, wo gerade ein Endlager für radioaktiven Müll gebaut wird. Davodeau lässt die Frage nicht los: Wie kann dieselbe Spezies uns solch tolle Kunst schaffen und nun den folgenden Generationen ein derart schlimmes Erbe wie Radioaktivität hinterlassen? Davodeau flicht in seine Wanderung dramaturgisch raffiniert Interviews mit vielen Expert:innen zum Thema ein (Carlsen).
Zwei Filmthemen: Der Autor Arnaud Delalande und der Zeichner Éric Liberge erzählen, wie „Fritz Lang“ zum Film kommt, die Autorin Thea von Harbou lieben lernt und mit ihr seine großen Erfolge der 1920er Jahre wie „Die Nibelungen“, „Metropolis“ und „M“ realisiert. Zeitgleich hat Hitler zunehmend Einfluss in der NSDAP, zu der sich Langs Frau hingezogen fühlt. In aufwändigen, realistischen, teils expressiven Zeichnungen erzählt der Band in einer Parallelmontage von den 15 Jahren der Weimarer Republik und dem Spannungsfeld zwischen Langs künstlerischem und Hitlers politischem Aufstieg (Knesebeck). Das Konzept der „Ghibliothek“ von Michael Leader und Jake Cunningham ist schnell erklärt: Chronologisch werden Entstehungsprozess und Gestaltung aller 24 Langfilme des bahnbrechenden japanischen Animationsstudios Ghibli – 1985 nach dem Erfolg seines Mitbegründers Hayao Miyazaki mit „Nausicaä …“ gegründet – betrachtet und anschließend kritisch analysiert. Der 200-seitige Band ist reichlich bebildert und sicher ein Fest für alle Animé-, und Ghibli-Fans (Panini).
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