Acht Brücken, das Festival für die Musik der Gegenwart, hat seit 13 Jahren einen festen Platz in der Stadt. Und das im Gegensatz zum Vorgänger – der Musik Triennale – nicht nur alle drei, sondern jedes Jahr. Oder zumindest fast jedes Jahr. Denn natürlich hatte auch „Acht Brücken“ unter der Pandemie und den damit zusammenhängenden Maßnahmen zu leiden. Im Jahr 2020 musste das Festival komplett ausfallen, im Jahr darauf fand es nur digital per Stream im Internet statt, 2022 dann wieder ganz normal. Und nun, im Jahr 2023, kann das Festival auch wieder wie gewohnt in den unterschiedlichsten Spielstätten im gesamten Stadtgebiet realisiert werden. Darunter sind die klassischen Veranstaltungsorte wie die Kölner Philharmonie und das angrenzende Festivalzelt als Festivalzentrum, das WDR Funkhaus am Wallrafplatz, die alte Feuerwache, die Hochschule für Musik und Tanz und die Sartory Säle, aber auch für Konzerte ungewöhnlichere Orte wie das Wallraf-Richartz-Museum, die Karl Rahner Akademie, das Comedia Theater, das Museum für Angewandte Kunst, das Senftöpfchen-Theater, die Kunst-Station Sankt Peter, das Baptisterium am Domhof oder die Lagerstätte für die mobilen Hochwasserschutzelemente, die in jeder Pressekonferenz des Festivals als ungewöhnlichster Aufführungsort und als Zungenbrecher einen Lacher bekommt. Nach dem letztjährigen Thema „Musik, Amnesie, Gedächtnis“ lädt nun die Frage „Musik oder Nichts“ zur Reflexion ein.
Im Zentrum des Festivals steht schon seit längerer Zeit nicht der große, übermächtige Komponisten-Gott vergangener Tage. Pierre Boulez, John Cage, Iannis Xenakis, György Ligeti oder Bernd Alois Zimmermann standen bis 2015 im Vordergrund, seitdem sind es lebende Komponist:innen der Gegenwart, die im Fokus des Festivals stehen. In diesem Jahr widmet man sich der Britin Rebecca Saunders, die sich – beeinflusst von Samuel Beckett wie von dem Maler Mark Rothko – in ihren Werken viel mit der Stille beschäftigt hat. Dadurch verschwindet die Musik nicht, man muss nur auf eine neue Art zuzuhören lernen, wie Herbert Lachenmann sagt, dessen „Got Lost“ mit Texten von Friedrich Nietzsche in der Philharmonie zu hören sein wird. Dort kann man auch mehrere Werke von Rebecca Saunders erleben, darunter eine neue Auftragskomposition für Acht Brücken. Es gibt aber auch die Installationen „Myriad“ und „Myriad III“ für 2464 Spieluhren, letzteres zusätzlich mit neun Musikern. Bei beiden Installationen dürfen Besucher:innen die Spieluhren bedienen. Das könnte je nach Aktivität des Publikums weniger still werden. Aber das Spielen mit Klang ist Kern der Musik von Rebecca Saunders – sei es bei den Installationen oder in ihren Kompositionen. Musik, sagt sie, ist eine magische Kommunikationsform.
Insgesamt kann man während des Festivals, das vom 28. April bis zum 7. Mai stattfindet, rund 50 Veranstaltungen besuchen, davon 36 Uraufführungen. Darunter sind Werke von Györgi Ligeti, Morton Feldman, Anton Bruckner und vielen jüngeren Komponist:innen. Der Freihafen am 1.5. bietet wie immer einen ganzen Tag Musik bei freiem Eintritt.
Acht Brücken – Musik oder Nichts | 28.4. - 7.5. | div. Orte | 0221 28 02 81
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Gefangenenchor pur
„Prisoner of the State“ im Musikforum Ruhr – Klassik an der Ruhr 05/23
Das ganze Leben ist ein Spiel
zamus: early music festival in Köln – Klassik am Rhein 05/23
Achtmal Brücken und siebenmal Rock
Akademiker und Rocker im Konzert – Unterhaltungsmusik 05/23
Blut und Tränen
„Lessons in Love and Violence“ in NRW – Klassik an der Ruhr 04/23
Mann ohne Arg
„Les Béatitudes“ in der Bonner Kreuzkirche – Klassik am Rhein 04/23
Aus grellem Sonnenlicht
Sarah Aristidou in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/23
Meister der Nuancen
Shao-Chia Lü in Krefeld und Mönchengladbach – Klassik an der Ruhr 03/23
Zu Ehren einer Meisterin
Sofia Gubaidulina im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 02/23
Kunst und Leben des Michael Biel
„Abschied von der neuen Musik?“ in Köln – Klassik am Rhein 02/23
Nahbarer Maestro
„Von Herzen – Adieu, mein Schatz!“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 01/23
Alter Hase von jungen Jahren
Jan Lisiecki besucht die Rheinmetropolen – Klassik am Rhein 01/23
Abschied von Ludwig Güttler
„Sächsischer Bläserglanz zur Weihnachtszeit“ in NRW – Klassik an der Ruhr 12/22
Dem Klang hingeben
Maggie Rogers in Köln – Musik 05/23
Wohlig warm
Katie Melua im Palladium – Musik 05/23
Stimme als Instrument
Aldous Harding im ausverkauften Gloria Theater – Musik 04/23
Schicksalshafte Vorabi-Party
Die Donots im Kölner Palladium – Musik 04/23
Aufgetauchte Wut
Von Dirk von Lowtzow bis c/o-pop – Unterhaltungsmusik 04/23
Ein-Mann-Band
FKJ im E-Werk Köln – Musik 03/23
Drogen, Dub und düsterer Country
Thurston Moore, Robert Forster und andere – Unterhaltungsmusik 03/23
Land der Freuden
Sticky Fingers im Palladium
Motown Soul
Teskey Brothers im E-Werk – Musik 02/23
Kontemplativer Noise
Weißes Rauschen bis Avantgarde Rap – Unterhaltungsmusik 02/23
Schluss mit Mr. Nice
Loyle Carner im Carlswerk Victoria – Musik 01/23
Kleine Atempause?
Start ins Konzertjahr 2023 in Köln – Unterhaltungsmusik 01/23