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Stanley Brinks & Freschard im Stereo Wonderland
Foto: Rebecca Ramlow

Woodstock ohne Dreck

24. März 2017

Minimalistische Entschleunigung mit Stanley Brinks & Freschard – Konzert 03/17

Wir leben in einer Zeit, in der immer alles schnell und laut sein muss. Tagtäglich knallt und fliegt uns vieles um die Ohren. Da wirken diese beiden Musiker wie eine entschleunigende Anti-Droge. Woodstock Rebirth – nur ohne Dreck und Schlamm eben. Und ohne Drogen.

Der Andrang ist groß an diesem Abend im Stereo Wonderland. Schuld daran sind sie: Stanley Brinks & Freschard – ein französisches Indie-Pop-Musikduo, das an diesem Abend minimalistischen Anti-Folk und Lo-Fi zum Besten gibt. Clémence Freschard lächelt die ganze Zeit über, und ihre gute Laune scheint atseckend zu sein. Bald schon lächelt auch das Publikum. Kein Wunder bei dem französischen Akzent und dem Charme, der auf‘s Englische trifft, was eine lustige musikalische Melange ergibt.

Nachdem Stanley Brinks, der viele Namen hatte, in der Band Herman Dune, ursprünglich Herman Düne, spielte, sich von dieser trennte und wohl Schwierigkeiten mit seinem Namen bekam, nannte er sich irgendwann einfach Stanley Brinks. Nach verschiedenen Kollaborationen mit diversen anderen Musikern, tat er sich schließlich musikalisch und – man munkelt, auch privat – mit Clémence Freschard zusammen, und das ist auch gut so. Die in Dijon geborene Freschard war einst Kellnerin in Paris und lebte eine Zeit lang in New York. Inzwischen leben und musizieren jedoch beide Künstler in Berlin. Ihre Musik liegt irgendwo zwischen urbaner verträumter Philosophie, Bohème, Melancholie und Hoffnung. „I don’t want to get my work done“, singt Freschard very french, die neben dem Gesang auch verschiedene Instrumente beherrscht, in ihrem Song „Work“. Es folgen Lieder wie „Friends“ mit dem Refrain „Sometimes time goes by and I miss my friends, I miss them all the time and I love them“, „Sunday Night“ mit der sich wiederholenden Textzeile „My heart is beating, I don’t feel like leaving, Sunday Night Feeling…“, oder auch „I Want to Party“ des gleichnamigen Songs „Party“. Freschard stellt damit u.a. an diesem Abend ihr 2016 erschienenes Album mit dem Titel „Sunday Night“ vor. Jenes reiht sich in die davor erschienen Platten und Songs mit Titeln wie „Boom Biddy Boom“, „Tweet Tweet“ oder auch „Cheese and Crackers“ ein. Ihre Lieder handeln von den kleinen und großen Dingen und Problemen des Lebens: von Regen, von Freundschaften und Parties, von kleinen Vögeln oder eben von Cheese und Crackern. Noch nie hat jemand zuvor wohl so sympathisch und ausführlich über den notorischen Konsum von Cheese und Crackern gesungen.

Es ist diese Mischung aus freundlicher Heiterkeit, angereichert mit Melancholie, Simplizität und skurillen Alltagsrandthemen, an die sich wohl sonst nicht so viele heranwagen würden, die das Duo so sympathisch werden lässt, und die eine gewisse Ironie erzeugt. Zurückhaltung, ohne zu blass zu erscheinen. Dazu sind die Lieder zu persönlich. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es natürlich eine entschleunigende musikalische Pause gibt. Nach jener gibt Stanley Brinks, nachdem man eine Weile gedacht zu haben schien, er sei stumm oder könne womöglich nicht singen, ein Solo zum Besten, das es in sich hat, und überrascht damit. Höflich, aber musikalisch durchaus auf hohem Niveau, singt er fortan von Alkohol, Zigaretten, Kaffee und Orangensaft, über Jelly Fische (Quallen) bis hin zu schönen Mädchen und Insekten, oder auch davon, dass er leider ohne dich zur Bar geht: „Now I'm going to the bar without you.“ Das Publikum, das im Übrigen auch international ist, selbst Holländer sind an diesem Abend extra angereist, lächelt ob der charmanten Witze und singt teilweise sogar mit.

Stanley Brinks & Freschard – das ist gute Laune, die ansteckt. Sympathische Entschleunigung, ohne zu langweilen. Menschen, mit denen man sofort ein Eis essen gehen würde. Wer kein Geld für eine Wellness-Massage hat, sollte auf ein Konzert dieses Duos gehen. Außerdem fahren die beiden, wenn sie auf Tour sind, vorbildlich mit dem Zug. Auch das trägt zur Entschleunigung bei.

Organisiert wurde das Konzert vom Weird Wrestling Circus und einer Person, die lieber nicht erwähnt werden möchte, die aber in der Zukunft plant, noch mehr solcher Indie-Konzerte in Köln ins Leben rufen. Man darf gespannt sein.

Rebecca Ramlow

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