Es war ein tapferer Versuch, der aus den Reihen der Grünen gestartet wurde, aber eine Breitseite von der Ministerin aus den eigenen Reihen erhielt. G8 rückgängig machen, den Erfahrungen Rechnung tragen, dass eine verkürzte Schulzeit, Stress, Schulverdruss, hastigen Unterricht und so viel Hausaufgaben verlangt, dass die Kinder entweder innerhalb ihrer Schullaufbahn scheitern oder ihre Kindheit aufgeben müssen. Sylvia Löhrmann hat die von der NRW-CDU initiierte Schulzeitverkürzung propagiert und sie hält auch weiterhin an ihr fest. Interessant ist vor allem die Begründung, dass der bürokratische Aufwand zu groß sei, um den – von Pädagogen schon zu Beginn als falsch erkannten Kurs – noch zu ändern. Kein Zweifel, die Mühen der Bürokratie wiegen auch im Deutschland unserer Tage noch schwerer als das Wohl der Kinder.
Wenn die Politik nicht bereit ist, für die kommende Generation die besten Bedingungen zu schaffen, dann muss die Bürgerschaft und das Heer der Freiwilligen dort helfen, wo die Not am größten ist. Zahlen und Statistiken verschleiern gerne, dass es sich bei jedem Kind, das auf der Strecke bleibt, um ein Einzelschicksal handelt. Ein Aspekt, der für die Lesementoren im Zentrum ihres Engagements steht. Einmal in der Woche kommt ein erwachsener Mentor in die Schule, um mit einem Kind zu lesen und über das Gelesene mit ihm zu sprechen. Die Kinder dürfen auswählen, was sie lesen möchten. Eine exklusive Situation, die ansonsten undenkbar in unseren Schulen ist. Dass sie Erfolge zeitigt, dass sich lernschwache Kinder in ihren Leitungen stabilisieren, dass die Kinder Selbstbewusstsein entwickeln und die Zahl der Schulabschlüsse steigt, wundert Pädagogen nicht. „Die Schulen sind unglaublich dankbar für diese Unterstützung. Sie betrachten die Aktivitäten der Mentoren als wichtige Unterstützung“, erklärt Ursula Schröter von der SK-Stiftung Kultur. Sie und ihre MitstreiterInnen von der Freien Volksbühne, der VHS und dem Büro für Bürgerengagement, die allesamt die Lesementoren organisieren, können sich vor Anfragen aus den Schulen kaum retten.
Bundesweit ist das Netz der Lesementoren ausgelegt, seit fünf Jahren gibt es sie in Köln. Als der erste Aufruf erfolgte, Kindern zu helfen, die wegen ihres Migrationshintergrunds oder einfach weil sie den Sprung in die Welt des geschriebenen Wortes nicht vollständig gefunden hatten, meldeten sich sofort 300 Freiwillige. Inzwischen sind es an die 470 Mentoren, die in 100 Kölner Schulen ausschwärmen, wo sie nicht selten auf dem Schulhof von einem Kind empfangen werden, das ihnen jubelnd entgegen stürmt. Es gibt Mentoren jeden Alters, aber Tatsache ist, dass der Frauenanteil bei 80 Prozent liegt und die meisten von ihnen nachberuflich tätig sind. Mindestens ein Jahr begleiten die Mentoren ihre Schützlinge, oft stehen sie ihnen auch auf Weiterführenden Schulen bei. Der Leseerfolg macht die Kinder stolz und eröffnet ihnen neue Bildungsmöglichkeiten. „Das ist auch ein großes Geschenk für die Mentoren“, sagt Ursula Schröter. Wie einfach der Erfolg doch manchmal zu erreichen ist, mit nicht mehr als einem Buch und einer Person, die zuhört.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25
Die Kunst der zärtlichen Geste
„Edith“ von Catharina Valckx – Vorlesung 04/25
Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25
Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25
Erinnerungskultur
Gegen Vergessen und für Empathie – ComicKultur 04/25
Ein wunderbarer Sound
Natalia Ginzburgs Roman „Alle unsere Gestern“ – Textwelten 04/25
„Schon immer für alle offen“
Marie Foulis von der Schreibwerkstatt Köln über den Umzug der Lesereihe Mit anderen Worten – Interview 03/25
Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25
Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25
Aus dem belagerten Sarajevo
„Nachtgäste“ von Nenad Veličković – Literatur 03/25
Der legendäre Anruf
Ismail Kadares Recherche über Stalin und Boris Pasternak – Textwelten 03/25
Die Geschichte der Frau
Ein Schwung neuer feministischer Comics – ComicKultur 03/25
„Afrika ist mehr als Hunger und Krieg“
Autor und Influencer Stève Hiobi über sein Buch „All about Africa“ – Interview 02/25
Zwei Freunde
„Am Ende der Welt“ von Anna Desnitskaya – Vorlesung 02/25
Internationales ABC
„A wie Biene“ von Ellen Heck – Vorlesung 02/25
Schrecklich komisch
Tove Ditlevsens Roman „Vilhelms Zimmer“ – Textwelten 02/25
Wem gehört Anne Frank?
„Immer wenn ich dieses Lied höre“ von Lola Lafon – Literatur 02/25
Aufwändige Abschlüsse
Comics, die spannend Geschichten zu Ende bringen – ComicKultur 02/25
Unsichtbare Krankheiten
„Gibt es Pflaster für die Seele?“ von Dagmar Geisler – Vorlesung 01/25
Mit KI aus der Zwangslage
„Täuschend echt“ von Charles Lewinsky – Literatur 01/25
Gespräch über die Liebe
„In einem Zug“ von Daniel Glattauer – Textwelten 01/25
Massenhaft Meisterschaft
Neue Comics von alten Hasen – ComicKultur 01/25
Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24
Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24