Als Maggie Abendroth in Bochum 2007 erstmals die Bühne der Krimiszene betrat, schloss eine große Fangemeinde die neugierige Enddreißigerin schnell in ihr Herz. Als Aushilfssekretärin in einem Bestattungsinstitut hatte sie plötzlich mit mehr Leichen zu tun, als es ihr lieb war und mit einem skurrilen Häuflein Helfern und viel Humor löste sie den Mordfall. Auf „totgepflegt“ folgten Jahr für Jahr weitere Fortsetzungen. Ob Maggie Taxi fährt, an einer Ochsenbraterei auf einem Mittelaltermarkt aushilft oder sich eine Kur gönnt – Leichen pflastern ihren Weg. Ausgedacht hat sich diese schwarzhumorige Krimireihe mit Bochumer Lokalkolorit das Autorinnenduo Minck & Minck. Nach vier Fällen ist nun allerdings Schluss mit der gemeinsamen Textarbeit, ähnlich wie Tresenlesen oder die Missfits gehen die Autorinnen nun getrennte Wege. Während die hinter dem Pseudonym Lotte Minck stehende Brenda Stumpf nun mit dem Duo Auerbach & Keller eine „Cosy Krimi“-Reihe etablieren will und unter ihrem Klarnamen in diesem Juli ein Buch über ihre Erlebnisse als Backstage-Köchin in der Bochumer „Zeche“ auf den Markt bringt, behält Gabriele Brinkmann auch als Solistin ihr Pseudonym Edda Minck bei – und als solche verspricht sie auch weitere Maggie Abendroth-Krimis zu schreiben. Lediglich den Ehrenmord-Roman, der 2009 die Trennung vom übervorsichtigen Droste-Verlag mit sich brachte, veröffentlichte sie unter dem Namen W.W. Domsky.
Von Richelieu zu Herrn Schröder
Humor, gerne schwarz und auch mal ruppig, begleitet den beruflichen Werdegang der 1958 in Bochum geborenen Autorin seit vielen Jahren – hinter den Kulissen so mancher Comedy-Sendung. Doch zunächst zog es sie nach dem Foto- und Filmdesignstudium an der FH Dortmund nach Köln, wo sie bei den „Tanzprojekten“ Köln unter James Saunders eine Musical-Ausbildung absolviert und bei Margarete Bittner Sprach- und Gesangstraining nimmt. Neben Auftritten als Tänzerin und Schauspielerin arbeitet sie auch als Choreographin und nach und nach zieht es sie von der Bühne hinter die Kulissen. Ihre Aufgaben bei diversen Fernsehformaten streifen Redaktion und Produktion ebenso wie Casting. Anfangs sind es Shows wie „Der Preis ist heiß“ oder „Die Miniplaybackshow“, die sie betreut. Das Vorcasting für die ersten beiden „Popstars“-Staffeln dürfte heute noch in ihren Ohren klingeln, doch bald ist sie als Autorin tätig für Comedy-Formate wie „Samstag Nacht“, „Switch“, „Mit einem Bein im Grab“ und viele andere. Das Ausdenken absurder Situationen und das Schreiben pointierter Dialoge sind ihr in Fleisch und Blut übergegangen und Freunde kurzweiliger und witziger Unterhaltung können froh sein, dass sie auch solo der Literaturszene erhalten bleibt. Nach und neben zahlreichen Kurzgeschichten in diversen Anthologien kommt 2009 – also noch parallel zu Minck & Minck, ihr Roman „Für kein Geld der Welt“ auf den Markt. Sie greift hierin das Sujet einer an Bedingungen geknüpften Erbschaft auf und kann es tatsächlich mit neuem turbulentem Leben füllen. Schon hier begegnet der Leser einem tierischen Helden, dem verfressenen Mops Richelieu. Nun lässt die Hundenärrin einen Mops selbst seine Erlebnisse erzählen. Die „Mops-Tagebücher“ von El-Rei Dom Joao, der in Portugal stolz ein kleines Rudel angeführt hat und nun plötzlich als Herr Schröder mit den Tücken deutschen Großstadthundelebens klarkommen muss, ist von seiner „Guck mal, wer da spricht“-Grundidee her ebenfalls nicht neu, doch dass Edda Minck neben Humor auch ein großes Herz für Hunde hat, kann sie nicht verleugnen.
Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos
Allerdings hat sie ihre Leidenschaft für diese Tiere nicht mit ihrer kriminalistischen Ader verknüpft. Auch wenn im Schatten des Schafes Maud aus Glennkill nun auch Schweine, Gänse, Hunde und sogar Wanzen ermitteln und der Katzenkrimi nie so ganz aus der Mode gekommen ist, hatte Edda Minck nie in Erwägung gezogen, den Mops zum Detektiv zu machen: „Darüber habe ich bis heute, muss ich gestehen, noch gar nicht nachgedacht. Sollte mir irgendwann ein knalliger Plot für einen Krimi mit tierischem Ermittler einfallen, werde ich den Krimi dann auch schreiben, aber ich denke nicht aktiv darüber nach. ‚Idioten auf zwei Pfoten – Die Mops-Tagebücher‘ ist ein Roman über Integration und Freundschaft – und da hat mir mein eigener Hund, den ich aus einem Tierheim habe, die beste Steilvorlage geliefert. Da war die literarische Umsetzung kein Problem. In ‚Für kein Geld der Welt‘ gibt es auch einen Mops, der zwar laut denkt, aber nicht zwingend aktiv in die Handlung eingreift – das wäre mir zu vermenschlichend gewesen. Die Figur des vierbeinigen Richelieu ist ein schönes Dekor in der Story. Detektive aus dem Tierreich sind meines Erachtens eine Modewelle, die immer mal wieder schwappt. Pirincci und Rita Mae Brown waren vor einigen Jahren sehr erfolgreich damit, und jetzt ist es eben ein Schaf oder irgendeine andere Katze. Der Leser entscheidet, ob er lieber einem Vampir, einem menschlichen Kommissar oder einer ermittelnden Boa Constrictor folgen möchte.“
Tiere aus der Region
Ebenso wie das Genre Tierkrimi schwimmt auch der Regionalkrimi gerade auf einer hohen Welle. Sehr glücklich ist die Autorin mit dieser Bezeichnung allerdings nicht, die ihrer Meinung nach den Wahrnehmungsradius eines Buches stark einschränkt: „Ich wünschte, die Buchlandschaft würde von dem Trip Regionalkrimi herunterkommen. Jede Handlung in einem Buch muss schließlich irgendwo spielen. Das Etikett Regionalkrimi, so meine Erfahrung, führt eher dazu, ein Werk zu hemmen, als es zu verbreiten. Egal, wo ein Krimi spielt – gut muss er sein. Wenn aber ein Münchener Buchhändler einen Krimi nicht bestellt, weil ‚Regionalkrimi Ruhrgebiet‘ draufsteht, kann das nicht im Sinne des Erfinders sein.“ Ihre Verbundenheit mit dem Revier liegt allerdings nicht nur in ihrer Herkunft begründet, sondern ist auch stark an das literarische und kulturelle Leben hier sowie an das hiesige Idiom verknüpft: „Das Ruhrgebiet hat eine sehr lebendige ‚Lesekultur‘, wie man an den vielen Veranstaltungen und Leseabenden sehen kann. Leider habe ich grad keine Zahlen parat, aber das Mord am Hellweg Festival, um nur eine erfolgreiche Veranstaltung zu nennen, ist das beste Beispiel für den Lesehunger und den qualitativ hochwertigen Output der Ruhrgebietsautoren. Außerdem ist das Ruhrgebiet, auch nach dem Kulturhauptstadtjahr, die quirligste und kreativste Region. Nirgendwo sonst, außer vielleicht in New York, hat das Zusammenleben der Kulturen eine so lange Historie. Hier liegen die Themen tatsächlich auf der Straße. Die Menschen sind zäh, direkt, haben Witz und eine eigene Sprache, die ich sehr gerne für meine Kolumne ‚Fragen Sie Oma Berti‘ und für einzelne Figuren in meinen Krimis verwende.“
Auch, wenn es sicherlich überregionale Interessenten gäbe: Die Kolumne schreibt sie für das Stadtteilmagazin „Vor Ort“, das in den Bochumer Stadtteilen Weitmar und Eppendorf erscheint. Edda Mincks Engagement für Tierheime und Tiertafeln oder soziale Einrichtungen erschöpft sich nicht in Benefiz-Lesungen, sondern sie legt auch ganz unliterarisch Hand an, steht – nachdem sie sich in Krisenzeiten immer mal wieder mit Küchenjobs durchschlagen konnte – selbst in der Bochumer Suppenküche am Herd: „Ich mache das schon seit Jahren und es ist einfach spannend und eine sehr bereichernde Aufgabe. Ich kann eines meiner Talente, das Kochen, auf ganz andere Art und Weise ausleben, denn ich weiß vorher nicht, was im Kühlschrank ist und was ich daraus machen kann. Bis jetzt hat sich noch keiner beschwert – worüber ich sehr froh bin. In der Suppenküche mache ich etwas praktisches, das vielen Leuten nützt. Eine Arbeit, die mich erdet. Es macht Spaß und die Truppe, die die Suppenküche organisiert, ist die netteste auf der ganzen Welt.“
Edda Minck: „Idioten auf zwei Pfoten – Die Mops-Tagebücher“
Goldmann Verlag, 12,99
www.eddaminck.de
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