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Manchmal hilft es, über den Dingen zu stehen und alternative Wege zu suchen
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Viele Wege zum Infarkt

30. Januar 2014

Individualverkehr, Nahverkehr, Radverkehr – THEMA 02/14 MOBILITÄT

Demnächst werden in Köln täglich 350 Züge umgeleitet, weil die Hohenzollernbrücke renoviert werden muss. Da sind Verspätungen programmiert. Die teilweise Sperrung von Autobahnbrücken hatten wir schon, denn viele Straßen bedürfen dringend der Reparatur. Dabei könnten uns unsere Fahrzeuge, egal ob Fahrrad oder Auto, immer schneller von einem Ort zum anderen bringen – theoretisch. Die Praxis sieht anders aus: wir stehen im Stau.

Eigentlich ist es völlig egal, welches Verkehrsmittel man für den Weg zur Arbeit nutzt. Stau ist immer irgendwo. Beispiel Ubierring. Bis zum 15. Februar sind die Fahrbahn und Teile des Fußwegs Richtung Chlodwigplatz dicht – wegen notwendiger Baumaßnahmen für die Stadtbahn. Während Fußgänger eher gelassen durch das Labyrinth der Absperrungen vagabundieren, verirren sich verwirrte Autofahrer in den zugeparkten Seitenstraßen. Die Kunstmetropole lässt manchmal grüßen: Absperrungen gleichen oft einer künstlerisch-abstrakten Installation. Beispiel Obermarspforten: Passanten rätseln, warum was und wie gesperrt ist. „Oh, da hatte jemand Lust zu sperren“, meint eine ältere Dame. Da schmunzelt der Kölner trotz allem. Dem stets aktualisierten städtischen Baustellenplan ist zu entnehmen, dass es hier auf Höhe Gürzenichstraße einen Wassereinbruch gab. Autofahrer landen nun im Durcheinander der Altstadt oder im Hinterhof der Hohe Straße. Dem Fahrradfahrer stehen da deutlich kreativere Wege offen. Für ihn sind Absperrungen relativ.

Die Kölner Ampelschaltungen gelten den Kölner Verkehrsteilnehmern als fies, egal ob zwei oder vier Räder im Spiel sind. Die Aachener Straße zum Beispiel: Wenn man Taxifahrern glauben kann, gibt es dort eine Grüne Welle erst ab Tempo 120. Man könnte auch meinen, man sei selber schuld. Solange immer noch mehr als ein Drittel der Kölner für Wege unter fünf Kilometer den PKW nutzt, bleiben die Straßen voll. Auch Carsharing ist da keine Alternative - die Innere Kanalstraße, der Gürtel oder der Autobahnring sind zu Stoßzeiten eh „zu“. Für Fahrradfahrer hat sich die Situation durch die gelegentliche Einführung von Radstreifen verbessert, aber man sollte doch manchen Abschnitt entlang der Siegburger Straße, Aachener Straße oder Neusser Straße besser meiden.

So bleibt nur noch der ÖPNV. Der ist in Köln zweigeteilt. Die Kölner Verkehrsbetriebe haben sich in den letzten Jahren redlich Mühe gegeben. Mit dem Anwachsen der Fahrgastzahlen stieg auch die Zahl der eingesetzten Bahnen um ein Drittel. Zweidrittel der Busse verkehren als Gelenkbusse mit deutlich mehr Plätzen. Zusätzlich sollen demnächst die Linien 1 und 16 mit drei Zugteilen auf Reise gehen, um die übervolle Ost-West-Strecke zu entlasten. Auch Streckenverlängerungen sind in Planung. Das Alles ist zu loben. Doch da ist ja auch noch die Deutsche Bahn.

In den letzten 20 Jahren nahm die Zahl der Fahrgäste im Nahverkehr bei der Deutschen Bahn um über 43 Prozent zu. Allein in den letzten zehn Jahren um gut 30 Prozent. Dennoch lässt die Bahn die Regionalexpresse RE 1 und RE 5 zwischen Düsseldorf und Köln stur nur jeweils einmal pro Stunde verkehren. Sardinen haben‘s in ihren Büchsen bequemer als die Berufspendler in ihren Doppeldeckern. Auch die stark befahrenen Strecken Köln-Aachen und Köln-Mönchengladbach stehen da nicht zurück. Den Umstieg auf die Bahn macht das alles nicht attraktiver. Nur alle halbe Stunde eine Bahn, an Wochenenden sogar nur einmal pro Stunde – und der Stehplatz ist garantiert. Nach aktuellen Plänen will die Bahn die Strecke Köln-Mönchengladbach sogar noch weiter ausdünnen.

Auch sonst ist Erstaunliches passiert. Um das Netz geschmeidiger zu machen, wurde die Hälfte aller Weichen abgebaut. Dazu wurden mehr als 7.000 Kilometer Gleise entsorgt und rund 1.500 Bahnhöfe geschlossen. An den Endbahnhöfen fehlt Personal, um eine kollabierte Lok austauschen zu können. Von ehedem 320.000 Mitarbeitern beschäftigt die Bahn zurzeit knapp 190.000. Abbau ist überhaupt Trumpf. Vor 20 Jahren hatte die Bahn noch 139 Millionen Zugbewegungen, heute sind es nur noch 131 Millionen. Zugleich sind die Fahrgastzahlen um 43 Prozent gestiegen. Die in den letzten zehn Jahren vorgenommenen Preiserhöhungen blieben mit 35 Prozent nur geringfügig zurück.

Überhaupt: Unter der Umwandlung der einstigen Bundesbahn in eine bundeseigene Aktiengesellschaft leidet vor allem der Nahverkehr. Obwohl 90 Prozent der Fahrgäste in diesem Bereich unterwegs sind, investiert die Bahn lieber in den luxuriösen Fernverkehr oder Renommierprojekte, wie den Hauptstadtbahnhof Berlin. Als an der Spree die Kosten explodierten, stand für den eigentlich fest eingeplanten Umbau der Kölner Bahnhöfe Köln-West, -Süd, -Mülheim oder -Deutz kein Cent mehr zur Verfügung. Das Versprechen der Deutschen Bahn bei einer Umwandlung zur Aktiengesellschaft „schneller und pünktlicher,sauberer und moderner“ zu werden, ist nicht nur mit Blick auf diese vier Stationen blanker Hohn.

Ob sich an diesen Zuständen etwas ändern wird? Wohl kaum. Verkehrspolitik in Deutschland wird im Wesentlichen von der Autolobby geprägt. Obwohl heutzutage weit mehr Kölner im Medienbereich arbeiten als bei Ford, zählt immer noch der Slogan „Wir sind Ford-Stadt“. Tradition hat eben ihren Preis.

Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter:
www.trailer-ruhr.de/thema

www.engels-kultur.de/thema

Dieter Wolf

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