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Andrea Bleikamp und Ruth zum Kley
Fotos: Alessandro di Mattheis (l.) / privat (r.)

„Je vielfältiger, desto spannender“

30. Juni 2021

Ruth zum Kley und Andrea Bleikamp über den Verein für Darstellende Künste Köln – Premiere 07/21

Die Neugründung dürfte eine Zeitenwende für die Kölner freie Szene bedeuten. Im Mai wurde der Verein für Darstellende Künste e.V. ins Leben gerufen. Er löst die seit 1979 bestehende Kölner Theaterkonferenz ab, die bisher die Interessen großer Teile der freien Szene vertrat. Der Verein für Darstellende Künste Köln e.V. vereinigt nun erstmals alle Sparten und Künstler unter einem Dach. Die Theatermacherinnen und Vorstandsmitglieder Andrea Bleikamp (AB) und Ruth zum Kley (RzK) geben Auskunft über Ziele und Absichten.

choices: Die unterschiedlichen Interessenvertretungen der Kölner freien Szene, die bisher getrennt agierten, haben sich nun wieder zusammengeschlossen. Was war der Anlass?

RzK: Der Anlass war, dass wir vor drei Jahren die Initiative Freies Theater Köln gegründet haben, in der sich Menschen verschiedener Sparten zusammengeschlossen hatten, wo also auch schon Tänzer:innen und viele andere mit dabei waren. Wir haben schon damals festgestellt, wie sinnvoll und selbstverständlich es ist, mit einer Stimme zu sprechen. Dass wir den Weg über die Ablösung der Kölner Theaterkonferenz (TK) gegangen sind, hat damit zu tun, dass die TK mit der Rheinenergie bereits einen Förderer hat und dass die Theaternacht unter ihrem Dach stattfindet, die wir selbstverständlich gerne fortsetzen wollen. Es ist also nicht die TK gewesen, sondern die Initiative Freies Theater Köln, die den Zusammenschluss organisiert hat.

Was hat sich gegenüber der Theaterkonferenz verändert?

RzK: Wir nennen uns Verein für Darstellende Künste Köln e.V. Die Theaterkonferenz hat nur die Theater, also Schauspiel und Performance umfasst, wir haben auch andere Sparten wie Tanz oder neuer Zirkus mit aufgenommen. Wir nehmen außerdem nicht nur Häuser oder Gruppen, sondern auch Einzelkünstler:innen als Mitglieder auf, was vorher nicht möglich war. Wir plädieren in unserer Präambel für Vielfältigkeit und jeder/jede, die professionell im Bereich der Darstellung Künste arbeitet, ist herzlich willkommen. Je vielfältiger, desto spannender.

Wir werden einen Rat der Vielfalt gründen“

Sind mit der Neugründung auch neue Ziele und neue Strategien verbunden?

RzK: Ich finde es wichtig und zeitgemäß, dass wir uns vielfältiger aufstellen als die TK. Wir haben einen diversen Vorstand, der sich von dem hierarchischen Modell der Theaterkonferenz mit ihrem Vorstandsvorsitzenden und zwei Beisitzern (von denen ich eine war) total unterscheidet. Wir dagegen sind sieben Vorstände und jede/r ist vertretungsberechtigt. Das wird sicherlich herausfordernd, kann aber auch eine Stärke des Vereins sein. Außerdem werden wir einen Rat der Vielfalt gründen und auch im Vorstand haben wir Mitglieder mit z.B. Migrationshintergrund. Das ist ein wichtiges Signal nach draußen, dass Theater nicht nur behauptet, Vielfältigkeit leben zu können, sondern dass wir das gemeinsam erproben und umsetzen.

AB: Wir erhoffen uns gegenüber Politik und Verwaltung eine ganz andere Durchsetzungskraft, wenn wir ein Sprachrohr für alle Sparten unter einem Dach sind und Sachen gezielter einfordern können.

Welche Spuren hat die Pandemie in der Kölner freien Szene hinterlassen?

AB: Ich glaube, das wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Ich habe derzeit eher das Gefühl, es gibt eine große Müdigkeit. Wir hatten zwar Auftrittsverbot, aber eigentlich jede Menge mehr Arbeit als sonst. Und jetzt, wo es wieder losgehen soll, sind alle unglaublich ausgelaugt.

RzK: Sowohl Gruppen, Häuser, als auch Einzelpersonen sind sehr unterschiedlich mit der Situation umgegangen. Es gab einige, die sich durch die Corona-Fördermöglichkeiten von Stadt und Land sogar professionalisiert und einen totalen Schub bekommen haben. Da wurde ganz viel Kreativität freigesetzt. Es gab einen anderen Teil, den haben wir dabei unterstützt, die Fördermöglichkeiten überhaupt zu sehen. Gerade am Anfang standen einige auf der Kippe.

Das heißt, die Corona-Fördermaßnahmen von Bund, Land und Stadt haben offensichtlich gewirkt?

RzK: Das Kölner Künstler Theater war sehr früh und sehr schnell agil aufgestellt. Wir haben die Fördermöglichkeiten des Bundes und der Stadt genutzt, sodass wir jetzt gut wieder in den Output gehen können. Aber wir sind ein durchgängig gefördertes Theater, wir haben nicht die gleichen Existenzängste wie jemand, der immer wieder Projektgelder neu akquirieren muss.

AB: Es gibt aber einen Unterschied zwischen gefördertem Haus und geförderter

Gruppe. Gerade die feste Förderung hat uns von verschiedenen Hilfen ausgeschlossen. Dann hatten wir das Problem der Premieren. Wenn du dreimal die Premiere verschiebst und den Schauspieler:innen trotzdem die ausgefallenen Vorstellungen und Wiederaufnahmeproben prozentual bezahlst, dann landest du automatisch im Minus. Und wenn du dich dann noch in Medien wie Streaming, Podcast und Hörspiel zeigen sollst, musst du auch das erstmal finanzieren. Wir haben am Ende aus allen Kanälen geschossen, ohne dass es mehr Geld gab.

Es gibt seit langem die Diskussion über ein Theaterhaus in Köln“

Eine Aufgabe des Vereins wird das Thema Spielstätten sein. Die Studiobühne, in der viele Gruppen bisher aufgetreten sind, sucht wegen einer längerfristigen Sanierung eine neue Spielstätte. Das Theater der Keller soll angeblich doch nicht an den Kartäuserwall ziehen. Wie geht es weiter?

RzK: Der Verein muss jetzt zunächst das Kulturamt sensibilisieren. Auch die Häuser kriegen derzeit Anrufe noch und nöcher von Gruppen mit der Frage nach Spielterminen. Einige von uns hätten durchaus Möglichkeiten, im Abendprogramm mehr reinzulassen. Aber wir können das nicht finanzieren und die Gruppen können das auch nicht finanzieren. Es muss also ein Budget geschaffen werden, so dass wir dabei nicht draufzahlen.

AB: Es gibt seit langem die Diskussion über ein Theaterhaus in Köln. Das ist ein Thema, dass der Verein unbedingt vorantreiben will. Der Tanz ist in dieser Hinsicht viel besser organisiert. Wir plädieren dafür, das breiter und größer aufzustellen, nach einer wirklich großen Lösung zu suchen. Wenn das Schauspiel Köln wieder an den Offenbachplatz zieht, stellt sich die Frage, ob man das Depot in Mülheim nicht zu einem Zentrum für performative Künste machen kann.

Wie ist es mit den Förderstrukturen – was steht dazu auf der Agenda des neuen Vereins?

RzK: Ein Thema ist, dass wir teilweise nicht mehr in Sparten funktionieren. So haben z.B. auch die Kinder- und Jugendtheater Produktionen, in denen eher der Tanz oder auch mal die Musik den Schwerpunkt bildet. Bei Produktionsförderungen muss man sich daher ständig entscheiden, wo man die Förderung beantragt. Also eigentlich müsste es eine Förderung für alle darstellenden Künste geben, wie z.B. auf Landesebene. Der zweite Punkt ist, dass das Kulturamt kulturelle Bildung aus der künstlerischen Förderung ausschließt und stattdessen über einen Extrafonds fördert, was auch nicht mehr zeitgemäß ist.

Berlin und Hamburg statten ihre Gruppen weit besser aus“

Wie ist es mit der Höhe der Fördergelder?

AB: Also für uns ist es nicht ausreichend. Wir werden immer noch nach einem Satz bezahlt, der weder unserem künstlerischen Anspruch entspricht, noch den Zielen, wohin wir uns weiterentwickeln wollen. Den Anspruch, dass die hier entstehenden Projekte Strahlkraft über Köln hinaus entwickeln sollen, bekommt man dann noch kostenlos mit dazu. Doch das kriegt man für das Geld einfach nicht gestemmt. Wenn Projekte professionell und spartenübergreifend arbeiten, bewegt man sich finanziell in anderen Dimensionen. Der Förderanteil der Stadt ist bei uns inzwischen der kleinste Betrag. Das ist absolut unrealistisch, was da an Summen ausgezahlt wird. Gerade bei den wenigen professionellen freien Ensembles wäre es nötig, nochmal zu investieren, damit die den Sprung schaffen. Berlin und Hamburg statten ihre Gruppen weit besser aus.

RzK: Das gilt übrigens auch für die Häuser in anderen Städten. Wir haben zum Beispiel kein Budget, um Leute voll anzustellen. Ich entschuldige mich immer vorher, wenn wir in Köln über Gagen reden. Was ist denn der Anspruch, was wir sein sollen? Höhere Ansprüche drücken sich aber nun mal auch in höheren Kosten aus.

Interview: Hans-Christoph Zimmermann

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