Die Liebe ist immer ein Thema. Obwohl die Jahre an Schmidt nicht spurlos vorüber gegangen sind – er ist Witwer und aus der Kanzlei, in der er sein Juristenleben verbracht hat, ausgeschieden –, wartet doch noch ein großes Abenteuer auf ihn. Louis Begley hält für seinen Serienhelden Schmidt, den Jack Nicholson im Kino mit wunderbar zurückgenommener Grandezza spielte, eine große Belohnung bereit. Die Liebe im Alter, zu deren Freuden hier ganz konkret auch der Sex gehört, begegnet ihm in Gestalt von Alice, der ehemaligen Gattin eines Kollegen aus der Kanzlei in New York.
„Schmidts Einsichten“ heißt der neue Roman des 78-jährigen Amerikaners Louis Begley, der zu Beginn der fünfziger Jahre mit John Updike in Harvard studierte, sich dann aber für die Laufbahn des Juristen entschied. Der spätberufene Begley schiebt sich nun als Romancier gefährlich nah an John Updike, den bedeutendsten Chronisten der Welt des amerikanischen Mittelstandes, heran. War es bei Updike der Autoverkäufer Harry Engstrom, so ist es bei Begley Albert Schmidt, der uns Eintritt in die kalte, gnadenlose Geschäftswelt der amerikanischen Ostküste gewährt. Schmidt hat mit seinem Schwiegersohn selbst einen Hai in der Familie. Wir erleben die Ohnmacht des Vaters, der seine Tochter Charlotte ins Unglück rennen sieht, aber mit seinen Warnungen nicht bis zu ihr vordringt. Für Charlotte kommt es so bitter, wie es kommen muss. Auch Alice bringt eine böse Geschichte mit in die Beziehung zu Schmidt, so dass die Befangenheit, die dieser stets gegenüber der Welt der Frauen hegt, verständlich wirkt. Schmidt ist ängstlich, wenn es um Beziehungen geht, er will nichts falsch machen, bereitet Details akribisch vor, plant und schießt dann gerade wegen seines Eifers mitunter übers Ziel hinaus.
Diese Sensibilität, die ihn auch im Alter für die Frauen noch begehrenswert, zugleich aber auch verletzlich macht, bringt wunderbare Spannung in den Roman. Es ist ein Genuss, dieser Prosa zu folgen, deren Details klug gesetzt sind, die sinnlich ihre Charaktere zeichnet und immer das richtige Tempo für die Story bereithält. Begierig folgt man Schmidts Pfaden: Diese zeigen (ebenso stilvoll wie die Fernsehbilder der Erfolgsserie „Mad Men“) die Geilheit nach Geld und Sex von den 60er- bis in die 90er-Jahre in jenem gesellschaftlichen Segment, das unsere westliche Welt zu dem gemacht hat, was sie heute ist. „Schmidts Einsichten“, das ist ein Roman, mit dem sich Louis Begley in die Phalanx der Großen vom Schlage eines Robert Coover oder Philip Roth geschrieben hat.
Louis Begley stellt seinen Roman am 22.11. um 20 Uhr in Köln als Gast des Literaturhauses in der Kulturkirche (Siebachstr. 85) vor.
Louis Begley: Schmidts Einsicht | Deutsch von Christa Krüger | Suhrkamp Verlag | 416 S., 22,90 €
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