Der Weg führt durch das halbe Museum Ludwig, ehe man – deutlich markiert – auf die Ausstellung der Kunstwerke trifft, die Kasper König dem Museum geschenkt hat. König hat es von 2000 bis 2012 geleitet und hat seine Konzeption, Ankaufspolitik und Struktur gelenkt. Er war und ist ein Trendsetter und Trüffelsucher, einer der bestvernetzten Ausstellungsmacher der Welt, seit Jahrzehnten Kurator von Biennalen und Großausstellungen, der noch auf das Kunstgeschehen eingewirkt hat. Wie weitgefächert aber Königs Interessen sind und wer zu den von ihm favorisierten Künstlern und Künstlerinnen gehört, deutet sich jetzt in der Auswahl der rund 50 Exponate an, zu denen Entwurfsskizzen und Studien für Kunstwerke im öffentlichen Raum gehören. Ein besonderer Akzent liegt auf den 1960er und 1970er Jahren, die für den 1943 geborenen, in Münster aufgewachsenen König prägend waren.
Kasper König, der eigentlich Rudolf Hans König heißt, Bruder des Buchhändlers Walther König ist und sich schnoddrig kokett als „Amateur“ bezeichnet, hielt sich, süchtig nach der neuesten Kunst und relativ unabhängig, 1968 in New York auf, als das Reisen noch aufwändig war und kaum ein europäischer Kurator den Big Apple auf dem Schirm hatte. Bis heute hat er sich die Neugierde, mit der er damals die meist älteren Künstler:innen aufgesucht hat, den wachen Blick und die weitgehende Autonomie bewahrt und unterstützt seinerseits Künstler durch eigene Käufe.
All das klingt in der Präsentation der Kunstwerke an, die er aus dem Berliner (Un-) Ruhestand dem Museum Ludwig geschenkt hat. Oft nicht einmal groß und sogar Bleistiftzeichnungen im kleinen Format, sind sie gedankliche Konzentrate, die über das Insiderwissen hinausgehen, auf Weiteres verweisen und ästhetisch erfahren werden können. Darunter befinden sich neben Werken aus Kunstströmungen wie dem Minimalismus und der Land Art etliche einzelgängerische Positionen, die noch nicht richtig gewürdigt sind. Das beginnt vor dem Ausstellungssaal mit der rudimentär anmutenden Holzskulptur des US-Amerikaners H.C. Westermann, die er Kasper König gewidmet hat. Und nein, das ausgestanzte fotokopierte Porträt von Thomas Hirschhorn zeigt nicht etwa König, sondern den Künstler selbst. Im Saal hängt dann eine Malerei auf Karton zum damaligen Rektor der Frankfurter Städel-Akademie, die Jonathan Borofsky 1990 angefertigt hat: erkennbar immerhin (wie König im Video in der Ausstellung sagt) an den „Henkelohren“. Reizvoll sind die touristischen, 1968 an König adressierten Postkarten von On Kawara, die, rein mit Stempelbuchstaben geschrieben, den Alltag als Existenzversicherung definieren. Nicht minder komplex und erstaunlich sind die Andy Warhol-Replik (die vielleicht gar keine Replik ist) von Elaine Sturtevant oder Henrik Olesens „nachgebaute“ serielle Kuben von Sol Lewitt, der seinerseits zu den von König favorisierten Künstlern zählt. Erst recht in der angenehm dichten Präsentation verweist eins aufs andere und dabei wird klar, dass Kasper König zu jedem Werk noch eine eigene Geschichte auf Lager haben könnte. Also, die Ausstellung ist persönlicher als es scheint. Also, hohe Achtung!
1000 … miles to the edge – Schenkung Kasper König | bis 17.3. | Museum Ludwig | 0221 22 12 86 08
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