Erst war die Tochter des Grafen Monterone dran, jetzt ist es die Gräfin Ceprano. Am Hof von Mantua sind Frauen Freiwild. Sie haben zu spuren und ihre Männer den Mund zu halten. Tun sie’s nicht, sind sie Störer und „Verschwörer“. Hofnarr Rigoletto weiß dazu einen probaten Rat zu geben: Kopf ab, dann ist Ruhe.
Giuseppe Verdis hübsche Tanzmelodien zum Auftritt des Herzogs von Mantua verschleiern, dass dieser Mann kein prickelnd erotischer Libertin ist, sondern ein zielstrebiger Missbrauchstäter. Gerade hat er ein neues Opfer auf dem Schirm: In einer Seitengasse wohnt ein hübsches Mädchen, das offenbar einen heimlichen Liebhaber hat. Das will er sich holen, vertraut er seinem Kumpel Rigoletto an. Das Dumme nur – und der zynische Narr erkennt das nicht: Das Objekt der herzoglichen Verführungslust ist seine eigene, sorgsam vor der Welt verborgene Tochter Gilda. Rigoletto wird dem Fluch, den der in seiner Ehre gekränkte Monterone ausspricht, nicht entkommen.
Giuseppe Verdi hat mit „Rigoletto“ die italienische Oper der geschlossenen Formen zur Vollkommenheit geführt. Gleichzeitig sind seine Figuren vielschichtig. Vor allem die Titelfigur ist psychologisch komplex: Der körperlich versehrte Rigoletto ist bei Hof der gewandte Spötter, intellektuell allen gewachsen, aber auch zynisch und opportunistisch. Ist er alleine, erkennen wir einen nachdenklichen, von seinem Job angewiderten und seinem Dasein enttäuschten Menschen, besorgt, seiner Tochter die Schmerzen des Lebens zu ersparen. Seine boshaften Züge führen erst zum Entschluss der Höflinge, die Tochter zu entführen, die sie für die Geliebte Rigolettos halten. Und mit dem katastrophalen Ergebnis seiner überschäumenden Rachsucht vollendet sich die Tragödie des Mannes – der Fluch holt ihn ein.
An der Oper Bonn steht „Rigoletto“ ab 15. Oktober auf dem Spielplan. In einem Bühnenbild von Hank Irwin Kittel inszeniert Jürgen R. Weber. Die musikalische Leitung teilen sich Daniel Johannes Mayr, Hermes Helfricht und Elia Tagliavia. In der Titelrolle sind Giorgos Kanaris und Federico Longhi zu erleben. In der Premiere singt Anastasiya Taratorkina die anspruchsvolle Partie der Gilda.
Rigoletto | 15. (P), 21., 26., 28.10., 3., 10.11., 26., 30.12., 5., 12., 20.1., 3., 23., 25.2. | Theater Bonn | 0228 77 80 08
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Im Land der Täter
„Fremd“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 12/24
Goldene Flügel der Sehnsucht
Großes biblisches Drama: „Nabucco“ an der Oper Köln – Oper in NRW 12/24
Triumph der Güte?
„La Cenerentola“ in Essen und Hagen – Oper in NRW 12/24
Tatort: Altarbild
„Tosca“ am Theater Bonn
Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24
Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24
Leichnam zu fairem Preis
„Glaube Liebe Hoffnung“ am Theater Bonn
Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24
Plädoyer für Klimagerechtigkeit
„216 Millionen“ am Theater Bonn
Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24
Den Schmerz besiegen
„Treibgut des Erinnerns“ in Bonn – Theater am Rhein 07/24
Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24
„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Interview 06/24
Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24
Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24
Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24
Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24
Täuschung und Wirklichkeit
Ein märchenhafter Opern-Doppelabend in Gelsenkirchen – Oper in NRW 02/24
Verpasstes Glück
„Eugen Onegin“ in Bonn und Düsseldorf – Oper in NRW 02/24