Auf Teil 1 folgt Teil 2. Die Photographische Sammlung im Mediapark stellt derzeit ihren Bestand an fotografischen Aufnahmen vor, und waren zunächst die Natur – mit der Landschaft und der Botanik – und der Mensch als Teil der Gesellschaft „dran“, so fokussieren die ausgestellten Fotografien jetzt Urbanität und Zivilisation, also die vom Menschen gemachte Welt – das reicht von Darstellungen von Industrie und Technik von Albert Renger-Patzsch (1897-1966) über die Architekturphotographien von Werner Mantz (1901-1983) und die menschenleeren Interieurs von Candida Höfer (*1944) bis zu den Passanten in Osaka von Katja Stuke (*1968). Fast immer handelt es sich um ausgewählte Projekte und ganze Werkreihen, die nun linear oder als dichte Blöcke präsentiert werden und sich derart voneinander abgrenzen, dass sie noch die Ausstellungsarchitektur selbst verdeutlichen.
Über gleich zwei Wände erstreckt sich die Dokumentation der Zeche Waltrop durch Bernd und Hilla Becher, aufgenommen in der „typischen“ sachlichen Erfassung der anonymen Industrie-Architektur, mit der das Düsseldorfer Fotografenpaar berühmt wurde. Im hinteren Bereich ist August Sander – ein weiterer „Hauptkünstler“ der Photographischen Sammlung – unter anderem mit Auftragsfotografien der Quarzsandsteingrube in Frechen vertreten; weitere Aufnahmen zeigen das Braunkohlengebiet bei Euskirchen und unterstreichen mit ihrer Erfassung der Gesteinsschichten als räumliches Ereignis, dass Sander über seine typologischen Porträts der Menschen hinaus ein großartiger Fotograf war. Eine weitere Entdeckung der Ausstellung dürfte Ruth Hallensleben (1898-1977) mit ihren, meist als Auftrag und zur Dokumentation entstandenen Aufnahmen von industriellen Produktionsstätten sein. Dominierend aber sind insgesamt die Beiträge der einstigen Student:innen von Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie, von Boris Becker, Claudia Fährenkemper, Candida Höfer und Petra Wittmar, deren feinfühlige und doch objektivierende Annäherung an ihren Heimatort Medebach auch nach Jahrzehnten beeindruckt.
Eine ganz andere Stimmung vermitteln die subjektiv flanierenden Farbaufnahmen aussagekräftiger Spuren und Hinterlassenschaften des Menschen, die Joachim Brohm zwischen 2008 und 2010 auf der portugiesischen Insel Culatra aufgenommen hat: Und so wie er die Ausstellung einleitet, stellt er hier noch die Beziehung zu den US-amerikanischen Fotografen her, die gemeinhin als „New Topographic Movement“ zusammengefasst werden und ab Mitte der 1970er Jahre überwiegend in Farbe lapidare oder besondere urbane Spuren inmitten der landschaftlichen Situation herausarbeiten. Ausgestellt sind Aufnahmen mit unterschiedlichen motivischen Schwerpunkten von Stephen Shore, Lee Friedlander oder Henry Wessel.
Äußerer Anlass dieser Ausstellung ist das 30-jährige Bestehen der Photographischen Sammlung, die Sammeln eben auch als konservatorisches Erhalten, Vermitteln der Inhalte und Ausstellen versteht. So wurden etliche der jetzt vertretenen zweiundzwanzig Künstlerinnen und Künstler bereits in eigenen Schauen vorgestellt: Hier jetzt kommt mit dem erinnernden Wiedersehen das vergleichende Sehen hinzu.
Sammlungspräsentation Teil 2 – Urbanes Leben, Architektur, Industrie | bis 8.1.23 | Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur | 0221 888 953 00
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