choices: Herr Di Canio, Frau Funke, Frau Grabowski, was macht den Performance Garten in der Kölner Kunst- und Kulturszene einzigartig?
Raphael Di Canio (RC): Was das Projekt für mich besonders macht, ist, dass wir wirklich etwas zwischen Ausstellung und Live-Event erschaffen möchten. Es ist wie ein kleiner Garten: Man läuft durch einen wuchernden Raum, findet an der einen Stelle noch Überbleibsel der letzten Performance, sieht auf der anderen Seite aber schon eine neue Performance aufkommen und vielleicht ist hinten im Raum noch etwas aufgebaut. Diese Elemente erinnern an den Prozess, sind aber gleichzeitig ein eigenes Produkt. Diese Mischung finde ich persönlich total spannend.
Julia Maja Funke (JF): So erklärt es sich, dass wir am Ende ein Format haben, das medial sehr viel unklarer ist als man zunächst vermuten würde. Das ist es, was wir daran so reizvoll finden: Das Performative in allen möglichen Medien zu suchen.
choices: Seit 2017 gibt es das Projekt Performance Garten in seiner aktuellen Form – als kuratiertes Kunstprojekt, das die gerade beschriebene Verschmelzung künstlerischer Medien und internationale Vernetzung von Künstler:innen anstrebt. Ins Leben gerufen wurde es allerdings schon 2014. Wie ist Performance Garten ursprünglich entstanden?
RC: Die eigentliche Idee entstand, als ich 2013 mit einem Freund auf einem Performance-Seminar in Tschechien war. Zurück in Köln wollten wir unsere performative Praxis weiter ausbauen, doch gab es in unserer Umgebung kaum Präsentationsmöglichkeiten. Am Institut für Kunst und Kunsttheorie der Uni Köln entwickelte sich daher ein Format. Zunächst ging es nur darum, performative Abschlussarbeiten zu zeigen, später konnten wir Ausgaben in der Studiobühne und im Neuen Kunstforum veranstalten. So sind das Projekt, das Programm und das Publikum stetig gewachsen.
JF: Das nomadische Format ist aber geblieben. Performance Garten ist immer woanders. Seit 2017 hat jede Ausgabe außerdem ein eigenes Thema. Das Thema war also nicht mehr nur Performance als Medium. Wir entwickelten einen kuratorischen Schwerpunkt, auf den sich bezogen werden konnte und diese Praxis haben wir immer weiter entwickelt.
Wie wird über diese kuratorischen Schwerpunkte entschieden?
Vivien Grabowski (VG): Es ist eine Mischung aus unseren aktuellen inhaltlichen Interessen und dem, was der Raum von uns verlangt. In Bezug auf den nächsten Garten, der den Titel „FRICTI9NS“ hat, waren wir uns beispielsweise schnell einig, dass Fiktionalität eine besondere Rolle spielen sollte, weil die Ausstellung erstmals in einem Kino, das semantisch in dieser Richtung schon so aufgeladen ist, stattfindet. Auf den ersten Blick könnte es außerdem absurd erscheinen, mit Performancekunst ins Kino zu gehen. Medial besteht hier also eine gewisse Grundspannung oder Reibung. Diese beiden Momente klingen im Titel „FRICTI9NS“ an. Die präsentierten Arbeiten falten das Thema in zusätzliche Richtungen auf.
JF: Darüber hinaus sind die Ausgaben gar nicht unbedingt abhängig von dem, was wir uns im Vorhinein überlegt haben – sondern von den künstlerischen Positionen, die zusammenkommen. Natürlich, es gibt immer einen Open Call, um Arbeiten zu einem gesetzten Thema einzureichen. Aber letztendlich kommt es dann ganz stark drauf an: Welche gemeinsamen Fragen schwimmen in dem Pool? Welche Narration wird durch die Künstler:innen aufgemacht?
Was möchtet ihr mit dem Performance Garten innerhalb der Kölner Kunstszene erreichen?
JF: Verbindungen schaffen. Auch, wenn es eine Tendenz zu jungen Künstler:innen gibt, wollen wir international und zum Beispiel nicht unbedingt auf Kunsthochschulen fokussiert arbeiten.
VG: Ja, wir möchten Menschen zusammenbringen, deren Voraussetzungen und der im Kunstsystem jeweils wahrgenommene Status sehr unterschiedlich sind. Und wir möchten künstlerische Arbeiten versammeln, die sehr gezielt auf Performance als Form zurückgreifen, weil sie diese als nur ein Medium von vielen begreifen.
FRICTI9NS | Sa 26.11. 15.30-22 Uhr | Turistarama | www.performancegarten.de
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