Als Europa Äthiopien noch Abessinien nannte, ein markanter Teil des Horns von Afrika, dem östlichsten Teil des Kontinents, da zogen Sänger von Ort zu Ort und sangen zur Leier die neuesten Nachrichten und Geschichten. Aus nur fünf Noten entwickelten sie einen vom sonstigen Afrika weit entfernten Musikstil, der sich als traditionelle Kunstform bis heute in verschiedene Musiken überträgt.
Der äthiopische Musiker Mulatu Astatke aus Addis Abeba musste den Blick von außen suchen, um die Werte der eigenen Musiktradition zu erkennen. Dem Jugendlichen finanzierten seine gut situierten Eltern Studien in London, und dort diente die Schule der Selbstfindung junger Menschen. Mulatu entdeckte den Musiker in sich, probierte sein Talent an verschiedenen Instrumenten und wählte schließlich das Vibraphon – ein in Äthiopien unbekanntes, elektrisches Instrument, das Melodie und Perkussion zusammenführt, ideal sowohl für schwebend angehaltene, weich vibrierende Akkorde wie für erzählende gesungene Linien.
Zunächst stand New York auf dem Plan, die brodelnde Musikszene faszinierte ihn, hier hörte er John Coltrane, das lenkte ihn zum Jazz. Es folgte ein Aufenthalt in Boston, hier ist derJazz zuhause, in Stein gehauen im Berklee College of Music, Talentschmiede der Young Lions mit den angesehensten Lehrkräften aus der aktuellen Jazzszene. Schnell kannte er sein Ziel – und wurde der erste afrikanische Student in diesem edlen Haus. Und er verband den westlichen Latino-Jazz mit äthiopischer Musik. Damit weckte er 1971 sogar die Aufmerksamkeit des Jazzkönigs „Duke“ Ellington, es kam zu einem gemeinsamen Auftritt. 2005 nahm Jim Jarmusch für sein Road Movie „Broken Flowers“ einige Stücke des äthiopischen Künstlers, das Interesse an diesen ungewohnten Klängen war geweckt. 2014 erfolgte eine erste Europatournee, da war der Musikus bereits stramme 71 Jahre alt.
Nun bricht er zu einer Welttournee auf und schaut auch in Dortmund vorbei – mit einer Mischung aus amerikanischen und afrikanischen Musikern. Mittlerweile wird seine Musik prominent gesampelt, sein altersweiser Flow in Rückschau auf sein Schaffen (Neues Album: „Mulatu plays Mulatu“) strahlt Ruhe und Sicherheit aus – in unruhigen Zeiten die richtige Kost.
Mulatu Astatke | Fr 12.9. 20 Uhr | Konzerthaus Dortmund | 0231 22 69 62 00
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