Die in Ostafrika aufgewachsene deutsche Autorin und Zeichnerin Birgit Weyhe hat bereits mehrere Comics realisiert, in denen sie ihre Biografie zwischen zwei Kontinenten rekapituliert. Nun hat sie sich als Zeichnerin mit Sylvia Ofili zusammengetan, die als Kind einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters in Nigeria aufgewachsen ist. Ihre Erfahrungen zwischen den Kulturen sind andere als die von Birgit Weyhe, und als sie nach Hamburg geht, wo sich ihre Eltern kennengelernt haben, verschiebt sich die Wahrnehmung auf sie nochmals. „German Calendar No December“ erzählt von Ofilis Zeit im Internat in Nigeria und ihrem Studium in Hamburg (Avant Verlag). Der Italiener Gipi liefert mit seinen Comics häufig Milieustudien, in deren Zentrum junge Männer stehen. Letzteres gilt auch für sein neues Werk „Die Welt der Söhne“, das mit seinem postapokalyptischen Szenario aber ganz andere Töne anschlägt: Zwei ungleiche Brüder leben mit ihrem Vater in einer offenbar vergifteten Welt. Der Vater erzieht sie mit aller Härte, damit sie hier überleben. Als er stirbt, sind sie auf sich selbst gestellt. Der nihilistische Fortgang der Geschichte ist kaum zu ertragen, da helfen auch nicht die feinen Zeichnungen. Aber Gewalt und Nihilismus sind wie in Manu Larcenets ästhetisch verwandtem Comic „Brodecks Bericht“ in Gipis Comic kein Selbstzweck. Schwere, aber lohnenswerte Kost (Avant Verlag).
Auch Emil Ferris steigt hinab zu den dunklen Seiten der Menschheit: Die Grafikerin und Spielzeugdesignerin legte erst mit Mitte 50 ihr vielbeachtetes Comic-Debüt „Am liebsten mag ich Monster“ vor, das von Art Spiegelman über Chris Ware zu Alison Bechdel die KollegInnen begeistert: Die zehnjährige Karen ist als Monster-Fan mit mexikanischen Wurzeln im Chicago des Jahres 1967 eine Außenseiterin, die das zu spüren kriegt, aber mit Stolz ihre Identität darauf aufbaut. Als ein Mord im Haus geschieht, werden ihre geliebten Monster – von der Pulpkultur bis zur Kunstgeschichte – realer als gedacht, und auch die Gesellschaft der 60er Jahre hat noch einige Monstrositäten zu bieten. Der Comic ist als Tagebuch der Protagonistin gestaltet – mit aufwändigen, detailreichen Kugelschreiberzeichnungen, die in ihrer Komplexität der Story in nichts nachstehen (Panini). Im letzten Jahr erschien die Batman-Geschichte „The Killing Joke“ (1988) von Alan Moore als Luxusausgabe, nun gibt es auch den wegweisenden Band „Arkham Asylum“ (1989) von Grant Morrison und Dave McKean in einer großformatigen Aufmachung. McKean hatte sich Ende der 80er Jahre gerade mit seinem Mixed Media-Stil – verschiedene Zeichenstile, Malerei, Fotografie und andere Materialien – vom Einfluss Bill Sienkiewicz‘ freigeschwommen und hier ein Feuerwerk an visuellem Irrsinn entfacht, der dem Irrsinn von Morrisons Erzählung in der Psychiatrie, wo gesund und krank sich bedrohlich annähern, eine adäquate Ästhetik verleiht (Pannini).
2016 wurde Fumiyo Kounos zehn Jahre alter Manga „In this Corner of the World“ sehr erfolgreich als Anime verfilmt. Erzählt wird die Geschichte der jungen, herzensguten und etwas naiven Suzu, die während des Zweiten Weltkriegs verheiratet wird und in der neuen Familie ihres Mannes ihren Platz finden muss. Währenddessen rückt der Krieg immer näher an den Alltag auf dem Land. In den Episoden kontrastiert Kouno zunehmend die beiden Ebenen – Alltag und Kriegszustand und erzählt auf tragikomische Art vom schweren Landleben, gesellschaftlichen Konventionen und Nationalismus. Die ersten beiden Bände sind nun auf Deutsch erschienen (Carlsen).
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