Ein kleines Buch, das schwer in der Hand liegt. Schicksalsschwer? Ja, denn es geht um den Körper und die Zeit, deren Gesetze sich in ihn einschreiben. Eine Tätowierung trägt man für den Rest seines Lebens, wirklich entfernen lässt sie sich nicht. Ein schicksalhaftes Thema, das auch seelisch unter die Haut geht. Kein Wunder, dass es die Literatur seit rund 200 Jahren immer wieder beschäftigt hat. Erotik spielt dort eine große Rolle, wo jemand „Das Herz auf der Haut“ trägt, so der Titel jener exquisiten Anthologie aus dem mareverlag, zu der Clemens Meyer das Vorwort schrieb. Das Literaturhaus hat ihn nach Köln ins Blue Shell (9. 6., 21.30 Uhr, Luxemburger Str. 32) geladen, wo er begleitet von Rui Lobos Akkordeon aus der literarischen Geschichte des Tattoos erzählen wird. Und vielleicht zeigt er ja auch eigene Körperbilder, denn Meyer ist reich bestückt mit Tattoos, in seinem Essay beschreibt er die Landkarte des Schmerzes ebenso wie die Qualitäten des Tätowierers.
Um sie ranken sich eben auch die Fantasien der Autoren dieses Bandes, der selbstverständlich Ray Bradburys Klassiker „Der illustrierte Mann“ enthält. Fein gewebte Erotik bietet Junichiro Tanizaki mit der Erzählung über einen Tätowierer, der sich in seine Klientin verliebt. Tolle Geschichten haben die drei Herausgeber – Benedikt Geulen, Peter Graf und Marcus Seibert – zusammengetragen. Etwa den „Fünfzehn-Dollar-Adler“, eine schelmisch-erotische Spielerei von Sylvia Plath, großartig geschrieben, oder ein wunderbar ruppiges Stück Literatur von Flannery O'Connor über „Parkers Rücken“. Nicht zu vergessen Sarah Halls coole Passagen aus ihrem „elektrischen Michelangelo“. Die 23 Texte sind in zart-grünes Leinen gebunden, mit Informationen zu den Autoren versehen und einem sexy Engelchen auf dem Deckel. Ein Buch, das man gerne in die Hand nimmt, gemacht von Leuten, die wissen, worauf es heute beim Büchermachen ankommt.
„Das Herz auf der Haut.“ Hrsg.: Geulen, Graf und Seibert. Mareverlag. 368 S., 24,90€ I www.mare.de
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