Seit 2009 zieht sich nun der Bau der repräsentativen Zentralmoschee in Ehrenfeld hin. Einen Termin für die Eröffnung konnte der Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Union DITIB, Newzet Yasar Asikoglu, nicht nennen. Man wolle aber alles dafür tun, „dass dieses Prestigeprojekt so schnell wie möglich fertig wird“. Ursprünglich sollte im Mai 2012 eröffnet werden. Aus dem Moschee-Beirat heißt es, vor 2017 wird es nichts mit einer Eröffnung.
Dabei begann alles verheißungsvoll. In einem Wettbewerb setzte sich Paul Böhm, Sohn des berühmten katholischen Kirchenbaumeisters Gottfried Böhm, mit seinem Entwurf einer aufgebrochenen, für Transparenz und Offenheit stehenden Moschee durch. Dem interreligiösen Dialog, zu dem sich die Bauherrin DITIB– die der Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten in Ankara unterstellt ist, das dem Ministerpräsidentenamt angegliedert ist – immer bekennt, sollte architektonisch Ausdruck verliehen werden. Dass die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Bauherrin nicht einfach werden würde, stand zu befürchten. Aber was heißt befürchten? Kein großes Bauprojekt kommt ohne Auseinandersetzung aus. Solange diese sachlich ausgefochten werden, finden sich Lösungen. So funktioniert die Realisierung großer Architektur.
Langer Atem beim repräsentativen Sakralbau hat in Köln eine gewisse Tradition. Die Fertigstellung des Kölner Doms brauchte immerhin über 600 Jahre, wovon rund 300 Jahre gar nicht gebaut wurde; den Bauherrn grätschte die Reformation, und damit weniger Einnahmen durch den Ablasshandel, dazwischen, aber auch bauästhetisch wandelte sich über die Zeit der Geschmack. Zwischenzeitlich diente die „Bauruine“ den französischen Besatzern nach der Eroberung und Annektion des Rheinlands gar als Materiallager und Pferdestall. Dass schließlich die protestantischen Preußen den Dom fertigstellten, hat fast die Züge eines historischen Treppenwitzes. Eine Steilvorlage für die Jecken im Rosenmontagszug, die die Hängepartie um das islamische Gebetshaus auf die Schippe nahmen: „Dat kreje mer och hin!“ hieß es auf einem Mottowagen. Und blickt man auf andere aktuelle Großbauten in Deutschland, wie den Flughafen Berlin Brandenburg oder die Elbphilharmonie in Hamburg, dann muss man sagen: Ja, der Islam gehört zu Deutschland. Verzögerungen, Gerichtsverfahren, Kostenexplosionen – das ist deutsche Realität bei repräsentativen Bauprojekten.
Symbolisch soll die Zentralmoschee in Ehrenfeld für eine gelungene und zugleich selbstbewusste Integration des Islam in der Gesellschaft stehen. Doch als Sanierungsfall spiegelt sie allenfalls eine repräsentative Umfrage unter Türken in Deutschland wider, von denen eine Mehrheit von 88 Prozent Muslime sind; unter den Muslimen in Deutschland machen sie wiederum knapp zwei Drittel aus. Laut der Studie hat sich die religiöse Bindung verstärkt. Zwar bescheinigt die Umfrage „Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten“ der Info GmbH aus dem Jahr 2012 75 Prozent der in Deutschland lebenden Türken „unbedingt und ohne Abstriche zur deutschen Gesellschaft dazugehören“ zu wollen – 2010 äußersten dies lediglich 59 Prozent. Doch bei dieser Zahl enden auch schon die guten Nachrichten. „Deutliche Separations- und Islamisierungstendenzen“ stehen dem entgegen. 72 Prozent (69 in 2010) bejahen die Aussage, der Islam sei die einzig wahre Religion. Hierzu passend fanden 45 Prozent die salafistische Verteilung von Koranen „sehr gut“ oder „eher gut“. Alarmierend: Unter den 15- bis 29-Jährigen waren es sogar 63 Prozent. Immerhin 46 Prozent (33 in 2010) wünschen sich, dass in Deutschland irgendwann mehr Muslime leben als Christen.
Richtiggehend erschreckend wirkt hingegen die Einstellung anderen Lebensentwürfen gegenüber. Christen gewinnen zwar in der Achtung und werden „nur“ von acht Prozent (zehn in 2010) abgelehnt. Im Fokus der Missachtung stehen hingegen Homosexuelle. Die Hälfte hält Homosexualität für eine Krankheit, 73 Prozent finden sie gar „schlimm“. Der Antisemitismus ist mit 18 Prozent (14 in 2010) deutlich angestiegen. Und jeder Vierte der Befragten lehnt Atheisten ab, immerhin drei Prozent mehr als 2010.
Der Schritt in die Moderne, das muss leider konstatiert werden, für den die Architektur der Ehrenfelder Moschee – mit ihrer aufgebrochenen Kuppel und den großen Glasfassaden, ihrer Offenheit und Luftigkeit, den weltlichen Geschäften, Bildungsstätten und der großen Bibliothek – stehen will, spiegelt sich in den Einstellungen vieler türkischer Muslime nicht wider. Die Schäden an der Moschee lassen sich mit ein bisschen Geld sanieren. Bei den Einstellungen muss man hingegen fragen: Kreje mer dat och hin?
Aktiv im Thema:
www.zentralmoschee-koeln.de | DITIB-Seite der Zentralmoschee Köln-Ehrenfeld
www.lib-ev.de | Liberal-Islamischer Bund
www.liberale-muslime-deutschland.de/p/gemeinde-koln.html | Kölner Gemeinde der Liberalen Muslime Deutschland
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema
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