Innere Symphonien („Inner Symphonies“) – so heißt das neue Album der beiden polnischen Musikerinnen Hania Rani und Dobrawa Czocher, die am Freitagabend in Köln zu Gast waren. Die Pianistin Rani springt zwischen Klavier, Flügel und Synthesizer oder spielt an zwei Fronten gleichzeitig, während Czocher das Cello bedient. Beide haben sich in ihrem noch jungen Alter bereits einen Namen auf der nationalen und internationalen Bühne gemacht, vor allem Rani mit ihrem bezaubernden Solo-Debut „Esja“. Auch der Stadtgarten ist ausverkauft, nur die frühen Vögel bekommen noch einen Sitzplatz.
Kennengelernt haben sich die beiden bereits im Jugendalter, als sie dieselbe Musikschule besuchten, und später studierten sie zusammen an der Fryderyk-Chopin-Universität in Warschau. Laut eigener Aussage sind ihre Kompositionen von ihrer engen Freundschaft geprägt. Das merkt man nicht nur beim Hören ihres Albums, sondern besonders auf der Bühne: Rani und Czocher verstehen sich blind, ihre Songs klingen vertraut und innig. Das Verbinden von Klassischem mit unkonventionellen elektronischen Sounds macht ihren Klang aus. Über die stehenden Ovationen am Ende zeigen sich beide sichtlich erfreut; sie hätten da ohnehin noch etwas vorbereitet.
Die Stücke sind wie kleine Reisen. Mal bleiben sie melancholisch und ruhig, mal steigern sie sich hinein und klingen nach abenteuerlichen Erkundungen. Rani und Czocher versuchen mit ihrer Mischung aus instrumentalen und elektronischen Klängen auch Naturmotive und natürliche Rhythmen wie das Meeresrauschen widerzuspiegeln. Bereits 2015 nahmen die beiden ein gemeinsames Album auf, das neue Werk ist allerdings das erste mit eigenen Kompositionen.
So reflektiert das Lied „Dunkel“ Unsicherheiten und Ängste während des Lockdowns, aber auch positive Energien und Hoffnung kommen immer wieder zum Vorschein, beispielsweise im rhythmischen „Con Moto“ oder in dem vom Sprichwort der Großmutter inspirierten Stück „There Will Be Hope“, bei dem die Hoffnung in Form eines Tonartwechsels zum Ausdruck kommt. Vom früheren Album gibt es das leichtfüßige „Tak tak to ja“ (Ja ja das bin ich), eine schöne Abwechslung inmitten der sonst eher nachdenklichen Nummern der Neuerscheinung.
Live klingen die Lieder noch lebendiger und näher als auf der Studioversion. Für die Albumversion sind teilweise auch ein Streichquartett und weitere Solistinnen dabei, aber live wird deutlich, dass die beiden sich eigentlich selbst genügen. Die Produktion des Albums erfolgte parallel zum Ausbruch der Pandemie und des ersten Lockdowns. Sie hätten in dieser Zeit viel gesprochen und über ihre Musik nachgedacht. Das Ergebnis sind ihre inneren Symphonien – eine gemeinsame musikalische Reflektion über Liebe, Hoffnung und Freundschaft.
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