Keine Epoche besaß jemals eine solche Vielzahl an technischen Möglichkeiten zur Aufzeichnung und Dokumentation wie unsere Gegenwart. Aber die Verluste an Dokumenten sind wahrscheinlich auch niemals größer gewesen. Der Medienkünstler Harald Fuchs musste das auf überraschende Weise erfahren, als er eigenes Bildmaterial betrachten wollte, das vor 30 Jahren in Rom entstanden war. Als Stipendiat der Villa Massimo hatte er damals mit der Videokamera experimentiert. Vor einigen Monaten stellte er dann fest, dass sich die Bilder aufgelöst hatten, geblieben waren Pixel-Strukturen, die vom Wesen des digitalen Rechners künden.
Ein Stück Erinnerung war aufgrund chemischer Prozesse unbemerkt verschwunden. Die Fragmente bearbeitete Fuchs digital und zeigt sie nun unter dem Titel „Harald Fuchs M/Rom“ als großformatige Bildobjekte im Forum für Fotografie. Wer sie betrachtet, beginnt unwillkürlich aus den Resten Bilder zu rekonstruieren. Damit geht die Rechnung des Künstlers auf, der uns mit den eigenen Bilderwartungen konfrontiert. Obwohl sie nun „sinnentleerte Informationsträger“ darstellen, kann man sich ihrer visuellen Faszinationskraft kaum entziehen. Es entstehen neue Bilder, Kompositionen, die mit nichts vergleichbar sind. Das alleine macht sie zu bemerkenswerten Objekten. Die Ausstellung bietet auch anhand von Plastiken Einblick in den künstlerischen Kosmos von Harald Fuchs, in dem Unschärfe und Bildverluste schon immer eine zentrale Rolle spielten. Es bleibt ein beunruhigendes Erlebnis, zu sehen, wie unsere Erinnerung verblasst.
Harald Fuchs: Villa M/Rom | bis 24.4. | Forum für Fotografie, Schönhauser Str. 8 | Do, Fr 14-18 Uhr, Sa 12-18 Uhr, Besuch nach Vereinbarung | 0221 340 18 30
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