Seit knapp 30 Jahren bereichern die belgischen Brüder Dardenne die internationale Filmlandschaft mit ihren klaren, strengen Werken über die Outlaws dieser Welt und analysieren scharf die Bedingungen dafür, dass einige treten, andere getreten werden und die meisten Menschen sich irgendwo dazwischen aufreiben. Mit ihrem 12. Film „Tori & Lokita“ (OmU in der Filmpalette, in den Lichtspielen Kalk, im Odeon und in der Bonner Kinemathek) zeigen sie zwei afrikanische Flüchtlingskinder, die sich als Geschwister ausgeben und versuchen, an Geld für einen Pass für sich selbst und ihre Familien zu kommen. Sentimentalitäten gibt es bei den Dardennes eigentlich nie, und so wird auch hier die gesellschaftlich bedingte strukturelle Gewalt durchdekliniert, bis man am Schluss eigentlich doch lieber etwas Weichspüler im Programm gehabt hätte. Aber den muss man sich anderswo holen, nicht bei den Dardennes.
1962, ein Hotel in den Schweizer Alpen: Doktorand Johannes (Jan Bülow) reist mit seinem Doktorvater zu einem physikalischen Kongress an. In seiner Dissertation ist er einer Weltformel auf der Spur. Der Doktorvater belächelt sie als mathematische Esoterik, andere halten sie für richtungsweisend. Nachdem Johannes der geheimnisvollen Pianistin Karin begegnet, geschehen Dinge, die die Weltordnung auf den Kopf zu stellen scheinen. Wow: Der deutsche Regisseur Timm Kröger spinnt in „Die Theorie von Allem“ (Cinenova, Filmpalette, Odeon, OFF Broadway) mit stilsicherer Eleganz, dichtem Suspense und melodramatischer Kraft einen Schwarz-Weiß-Thriller, der geschickt und effektvoll gespickt ist mit Zitaten und Verweisen – und angesichts der zeitgenössischen abgenudelten und übertriebenen Szenarien aus Hollywood anregend erfrischt.
Der Rentner Harold (Jim Broadbent) erhält unverhofft eine Nachricht: Seine alte Freundin Queenie liegt im Sterben. In einem Hospitz, 627 Meilen entfernt. Als er eine Karte an sie in den Briefkasten werfen will, beschließt er spontan, Queenie einen Besuch abzustatten. Zu Fuß. Ohne Gepäck, ohne ein Tschüß zu seiner Frau Maureen (Penelope Wilton). Der Beginn einer langen Reise, auf der Harold ein altes Schuldgefühl verarbeitet, ein familiäres Trauma überwindet und die Liebe neu entdeckt. Jim Braodbent stemmt das sympathische Drama „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ (Cinedom, Cineplex, Rex, UCI, OV im Metropolis) von Hettie MacDonald im, jaha: Alleingang. Auch wenn die Geschichte, die auf dem Roman von Rachel Joyce basiert, mitunter etwas arg aufträgt, verleiht ihr Braodbents Spiel durchweg Erdung.
Außerdem neu in den Kinos: Fredrik Gerttens Kapitalismus-Abrechnung „Breaking Social“ (OmU im Filmhaus), Alice Troughtons Noir-Thriller „The Lesson“ (Rex), Emma Tammis Monster-Schlacht „Five Nights at Freddy's“ (Autokino Porz, Cinedom, Cineplex, Rex, UCI), Simon Sandquists Karussell-Horror „Halloween Park“ (Cinedom, Cineplex, UCI), Markus Gollers Nachsitz-Komödie „One for the Road“ (Cinedom, Cineplex, Rex, UCI), Ekrem Ergüns Bestsellerverfilmung „Die unlangweiligste Schule der Welt“ (Cinedom, Cineplex, Lichtspiele Kalk, Metropolis, Odeon, Rex, UCI) und Markus H. Rosenmüllers Kobold-Sequel „Neue Geschichten vom Pumuckl“ (Cinedom, Cinenova, Odeon, UCI, Weisshaus).
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