Minatos Vater ist vor einigen Jahren bei einem Unfall gestorben, er und seine Mutter Saori leben seitdem zu zweit. In den Tagen nach einem Hochhausbrand in ihrer Straße stellt Saori vermehrt ungewöhnliche Ereignisse fest: Minato kommt mit nur einem Schuh nach Hause. Dann schneidet er sich grob Haarsträhnen ab. Schließlich ist Erde in seiner Thermoskanne. Seine Mutter vermutet zunächst einen Fall von Mobbing. Doch dann scheint der Lehrer Herr Hori hinter all dem zu stecken. Sie spricht bei der Direktorin vor, doch das Gespräch endet in einer absurden Mischung aus unterwürfiger Entschuldigung und empathieloser Phrasendrescherei. Saori fühlt sich und ihre Sorgen nicht ernst genommen. Schließlich deutet Hori an, dass nicht Minato das Mobbingopfer ist, sondern dessen deutlich kleinerer Klassenkamerad Yori von Minato schikaniert wird. Der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda ist eine verlässliche Größe. Mit „Die Unschuld“ (Cinenova, Filmpalette, OmU im OFF Broadway), der seinen Originaltitel „Kaibutsu“ sowie den englischen Verleihtitel „Monster“ dem im Film mehrfach gesungenen Kinderreim „Wer ist das Monster?“ entlehnt, widmet sich Hirokazu Kore-eda erneut Kindern. In dem perspektivischen Verwirrspiel lässt er sich am Ende komplett auf die Sicht der großartig von den beiden Jungdarstellern verkörperten Kinder ein und zeigt außerordentliche Empathie, die durch seinen zugewandten Blick auf Augenhöhe in jeder Einstellung des Films spürbar ist.
Christian Clavier, der ultimative Nachfolger von Grimassenkönig Louis de Funès, gibt in Julien Hervés zweitem Spielfilm „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ (Cinedom, Cineplex, Residenz, UCI) einen stockkonservativen französischen Spießer, der aufgrund der amourösen Verbandelung seiner Tochter in die Zwickmühle gerät. Denn Frédéric Bouvier Sauvage (Clavier) kann auf einen jahrhundertelangen Stammbaum zurückblicken, der voller ehrwürdiger Herzöge und Würdenträger ist. Seine Tochter Alice (Chloé Coulloud) hat sich nun aber ausgerechnet in den Sohn eines Autoverkäufers (Didier Bourdon) von niedrigem Stand verguckt. Als sich die jeweiligen Elternpaare zum ersten Mal begegnen, platzen die Kinder bereits mit ihren Heiratsplänen heraus – und haben den Eltern zur Feier des Tages DNA-Analysen geschenkt, deren Ergebnisse sie selbst noch nicht kennen. Schon beim Öffnen des ersten Umschlags platzt eine Bombe, als sich herausstellt, dass Monsieur Martin zur Hälfte Deutscher ist. Die Komödienkonstellationen stimmen auch in diesem Clavier-Starvehikel wieder und liefern Drehbuchautor Hervé reichlich Gelegenheit, sich über nationale Marotten lustig zu machen. Ein weiteres Elternteil hat argentinische DNS-Spuren, ein anderes britische usw. Daraus schlägt Hervé Gags aufgrund der bekannten nationalen Stereotypen, vergisst dabei aber auch nicht, insbesondere den Franzosen gehörig eins überzubraten.
Außerdem neu in den Kinos: Christopher Zallas wahre Superpauker-Geschichte „Radical - Eine Klasse für sich“ (Cinenova, Odeon, Bonner Kinemathek), Peter Otts und Ute Holls schräge Netzwerk-Story „Die Amitié“ (Filmpalette), Davide Ferrarios Deko „Umberto Eco - Eine Bibliothek der Welt“ (Odeon, am 21.3. mit dem Regisseur), Kristoffer Borglis skurrile Tragikomödie „Dream Scenario“ (Cinedom, Filmpalette, Lichtspiele Kalk), Gil Kenans Geisterjäger-Sequel „Ghostbusters: Frozen Empire“ (Autokino Porz, Cinedom, Cineplex, UCI) und Nicol Paones Krimikomödie „The Kill Room“ (Cinedom, Cineplex, UCI).
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