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Katrin Klingmann: Herr Käthe
Bild: Frauenmuseum

Das Patriarchat bei den Eiern

11. April 2017

„Katharina von Bora – Von der Pfarrfrau zur Bischöfin“ im Bonner Frauenmuseum – Kunst 04/17

Bis zum 31. Oktober kann man in Bonn auf zwei Etagen inspirierende Inhalte, Bilder, Installationen und Dokumentarfilme rund um das Thema Frauenpower und Frauenkultur im frühen 19. Jahrhundert sehen. Kern der Ausstellung ist das Leben der Katharina von Bora. Liebevoll oder vielmehr geschickt, wird sie von Martin Luther „Herr Käthe“ genannt. Warum, das wird klar, wenn man Luthers vor Verachtung triefende Manifeste liest. Faschistisch wettert er nicht nur gegen Juden, Bauern und Hexen, nein auch an der Frau lässt er kein gutes Haar. Außer vielleicht das Haupthaar des hoffentlich männlichen Nachkommens, welchen die Frau, wenn sie Glück hat, zur Welt bringen darf. „Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden.“ Also baut er sich ein Hintertürchen und vermännlicht seine Geliebte durch ihren Spitznamen.

Luther, dieser Hund! Ohne Herrn Käthe hätte Martin Luther sich niemals so intensiv seiner Schriftstellerei widmen können. Denn Katharina ist es, die ihn rundum versorgt und das beeindruckend große Familienunternehmen leitet. Sie kocht, putzt, lehrt die zahlreichen Kinder, leitet den gesamten Haushalt (ein beachtliches Anwesen) und die Pension. Sie kümmert sich mit einem großen Herzen um alle Gäste und findet auch noch Zeit, für die Armen zu sorgen. Als eine weibliche Ausnahmeerscheinung nimmt sie aktiv an eingesessenen Männerrunden teil, besucht die Universität und hält starke Reden. Eine mutige und starke Performance zu Zeiten, in denen Frauen oft genug als Hexen galten.


Christine Theile, Ohne Gans kein Martin, Bild: Frauenmuseum

Die Ausstellung zur Geschichte der weiblichen Reformation zeigt außerdem weitere Portraits von inspirierenden Frauen, die sich nicht von den Umständen haben beirren lassen und ihren Weg erfolgreich gegangen sind. Man kann sich beim Lauf durch die bunt und vielseitig gestalteten Museumsräume fabelhaft Gedanken machen über das Verständnis von Ehe und Gleichstellung im Wandel der Zeit. Die zweite Etage bietet Raum für die Werke von Künstlerpaaren, wie z.B. der Performance- und Installationskünstler Angie Hiesl und Roland Kaiser. Hiesl besticht mal wieder mit ästhetischen Alltagsstörungen und irritiert auf hinreißende Art und Weise durch Deplatzierungen in unseren alltäglichen Wahrnehmungsmustern. So duscht eine hübsche nackte Frau im Blumencenter. Dies entspricht gerade noch unserer softporno-ästhetischen Wahrnehmung von Werbung, wäre da nicht noch ein ziemlich realer Schwanz zwischen ihren Beinen. „Same same, but different“, heißt es bei Alin Klass, die sich der Magie von Zwillingspaaren verschrieben hat. Die doppelten Menschen sind seltsam beziehungslos zueinander. Josef Mengele wird von ihr zum Zwilling geklont und ein Barack Obama Zwillingspaar zeigt, dass jeder einen guten bzw. bösen Zwilling in sich trägt – das Ying und Yang in einer Person.


Marianne Pitzen leitet seit über 35 Jahren das Museum, Foto: Marielena Wolff

Imposant gewickelt ist die Zopffrisur von Museumsleiterin Marianne Pitzen, die in 35 Jahren für über 800 Ausstellungen Gastgeberin war. „Zwei Jahre hat es gedauert, die aktuelle Ausstellung vorzubereiten“, sagt sie.  Auf 3000 m² findet man viele kleine Unterabteilungen. Neben einem gemütlichen Cafébereich im Museum, mit einem herausragenden selbstgemachten Käsekuchen, gibt es auch einen kleinen Shop. Hier kann man Schmuck, Postkarten, Vintage-Kleidung und kleine Geschenkideen erwerben. In einem Nebenraum befindet sich aktuell eine Mini-Ausstellung mit den Überresten der Getrudiskapelle. Und auf der 3. Etage gibt es obendrein eine Ausstellung von Ursula Miebach mit sinnlich, Natur-verbundenen Öl-Gemälden. Ein Besuch im Frauenmuseum ist also ein historisch-künstlerischer und kulinarischer Rundumschlag und fühlt sich ein bisschen an, wie das Kramen in einer alten Foto- und Verkleidungskiste.

Luther, der offensichtlich auch einen guten und einen bösen Zwilling in sich trug, sagte: „Weiberregiment nimmt selten ein gut End.“ Im Frauenmuseum in Bonn wird überzeugend dargestellt, dass der Reformator sich nicht nur manchmal gewaltig im Ton vergriffen, sondern sich in vielen Belangen schlichtweg geirrt hat und ohne „Herr Käthe“ von Bora vielleicht nur ein lustiges Taschenbuch hätte schreiben können.

„Katharina von Bora – Von der Pfarrfrau zur Bischöfin“ | bis 31.10., Di-Sa 14-18 Uhr, So 11-18 Uhr | Frauenmuseum, Bonn (Im Krausfeld 10) | 0228 69 13 44

Marielena Wolff

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