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Comic als Denkmal

30. August 2012

ComicKultur 09/12

Charles Burns scheint nach „Black Hole“, seinem Opus Magnum der 90er Jahre, mit einer neuen Reihe seinen Ruf als Meister der Teen-Angst bestätigen zu wollen. Die ersten beiden Bände „X“ und „Die Kolonie“ zeigen Dougs Beziehung zu seinem Vater und seiner Ex-Freundin. In klaren, kontrastreichen Farbzeichnungen wechselt die Geschichte zwischen den Alltagserlebnissen und Dougs Alpträumen, die David Lynchs „Eraserhead“ Konkurrenz machen. Verstörend gut (Reprodukt). „Chronik einer verschwundenen Stadt“ erzählt von der Liebe der Pariser Unternehmensberaterin Dibou und des ägyptischen Künstlers Golo zu dem Örtchen Qurna. 15 Jahre lang hat das Paar den Ort immer wieder bereist, schließlich auch dort gewohnt und mit den Kindern im Dorf Projekte durchgeführt. Als die Regierung anfängt, ihren Masterplan zum Tourismus in und um Luxor zu realisieren, beginnt die Zwangsumsiedlung des Dorfs, von dem heute kaum noch etwas übrig ist. Der Band setzt mit seinen lebendigen, farbigen Zeichnungen und den eingestreuten Fotos von den Projekten mit den Kindern, dem Dorf und seinen Bewohnern ein eindrucksvolles Denkmal (avant verlag).

Im Land der Frühaufsteher“ umkreist mit einer Rahmenhandlung den Tod von Azad Hadji im Jahr 2009. Der Asylbewerber starb unter rätselhaften Bedingungen an starken Verbrennungen. Paula Bulling lernt einige Afrikaner in den Asylheimen in Sachsen-Anhalt kennen und beschließt, einen Comic über ihre Lebensbedingungen zu machen. Sie besucht einen Afroshop, besucht ihren Freund Farid, erlebt den täglichen Rassismus auf der Straße, stößt auf den Fall von Hadji, geht auf eine Demo, diskutiert mit einem Freund über die Erzählperspektive ihres Comics. Der schnoddrig-unsaubere Zeichenstil passt perfekt zu dem tastenden Erzählstil – ein spannendes Debüt (avant verlag). François Schuiten ist vor allem durch seine mit Benoît Peeters realisierten Comics der Serie „Die geheimnisvollen Städte“ bekannt. Mit seinem in detaillierten Schwarzweiß-Bildern gehaltenen Solowerk „Atlantik 12“ knüpft er erzählerisch dort an: Ein alter Lokomotivführer stellt sich gegen den Fortschritt und versucht, in einer zunehmend überschwemmten Landschaft seine Dampflok gegen die fortschreitende Einführung der Seilbahn zu retten. Ein fantastisches, retrofuturistisches, ebenso technikverliebtes wie zukunftsskeptisches Szenario. Die Altherrenfantasie in Person eines mysteriösen, leicht bekleideten jungen Mädchens hätt’s aber nicht gebraucht (Schreiber & Leser).

Das Nest“ erzählt von der Emanzipation der jungen Witwe Marie und der Homosexualität ihres besten Freundes Serge in einem kleinen Dorf in der Wildnis Kanadas. In den Bänden 5 und 6 – „Montreal“ und „Ernest“ – nimmt sich Marie eine Auszeit und geht erstmals in die große Stadt. Das Dorf muss derweil ohne ihr kleines Lebensmittelgeschäft auskommen. Außerdem zeigt sich, dass der Dorfpfarrer für Serges gleichgeschlechtliche Neigungen mehr Verständnis aufbringt, als man vermutet. „Das Nest“ von Régis Loisel und Jean-Louis Tripp ist auch noch nach sechs Alben eine unglaublich liebevolle, humanistische Erzählung (Carlsen). Marc-Antoine Mathieu ist bekannt für seine philosophischen, die Möglichkeiten des Mediums ausschöpfenden Geschichten. Mit „3 Sekunden“ wagt er ein neues Experiment: Multiperspektivisch umkreist er eine Ereignisabfolge von drei Sekunden über vielfältigste Spiegelungen im Raum – ein ständiges Ein- und Auszoomen. Dass bei dieser erstaunlichen Fingerübung die Story in den Hintergrund tritt, ist verschmerzbar (Reprodukt).

CHRISTIAN MEYER

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